Sahra Wagenknecht

Schriftliche Erklärung im Namen der Fraktion GUE/NGL gem. Art. 163 der Geschäftsordnung zum "Bericht über staatliche Beihilfen als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen"

(Berichterstatterin Sophia in't Veld)

22.02.2005

Der vorliegende Bericht ist nicht geeignet, dem von der Kommission ausgehenden Privatisierungsdruck auf Leistungen der Daseinsvorsorge entgegenzutreten. Im Gegenteil: Er geht in einigen Fragen noch über die Kommissionsvorschläge hinaus. Für die Kommunen, Regionen und für die Mitgliedstaaten dürfte es Zukunft noch schwieriger werden, die ihnen oft von Gesetzes wegen auferlegten Leistungen im Interesse ihrer Bürger zu erbringen. Noch stärker als bisher werden sich öffentliche Unternehmen mit weltweit operierenden Dienstleistungskonzernen zu messen haben. Die Folgen für die Bürgerinnen und Bürger liegen auf der Hand: Es wird zu weiteren Verschlechterungen bei öffentlichen Dienstleistungen kommen. Der Markt kennt keine sozialen Maßstäbe, er reagiert nicht auf Bedarf, sondern allein auf zahlungskräftige Nachfrage.

Zu kritisieren ist insbesondere, dass Ausgleichszahlungen bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse weiterhin grundsätzlich als "staatliche Beihilfen" bewertet werden und damit der Beihilfekontrolle unterliegen. Zudem wird der Kreis der Unternehmen, für die solche Ausgleichszahlungen überhaupt gezahlt werden dürfen, viel zu eng gezogen. Nennt der Kommissionsvorschlag hier keine Zahlen, so wird in dem Bericht die Grenze der Förderung bei 50 Mio. € Jahresumsatz vor Steuern und als maximale Ausgleichzahlung 15 Mio. € genannt. Damit würden bald viele öffentliche Unternehmen in Europa keine oder nur noch geringe Ausgleichzahlungen erhalten.

Sollen nach dem Kommissionsvorschlag Krankenhäuser und Sozialwohnungen von den vorgesehenen Beschränkungen weitgehend ausgenommen bleiben, so geht der vorliegende Bericht auch hier einen Schritt weiter. Danach muß der "betreffende Mitgliedstaat der Kommission eine detaillierte Beschreibung der Organisation und der Finanzierung" der betroffenen Unternehmen vorlegen. Erst nach einer Beurteilung auf diesen Grundlagen sollen die Ausnahmen anwendbar sein. Anstatt solche unsinnigen, bürokratischen Auflagen zu fordern, hätte man besser die Ausnahmen über den engen Bereich von Krankenhäusern und sozialem Wohnungsbau hinaus - mindestens auf Pflegedienste, Bildung, Kultur und öffentliche Medien - ausdehnen sollen.

Die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse werden im Bericht vornehmlich aus der Sichtweise der Verbraucher und der Steuerzahler behandelt. Darüber hinaus gibt es aber auch noch die allgemeinen Interessen des Gemeinwohls, die etwa im Schutz sozial Schwacher zum Ausdruck kommen. Und es gibt die Interessen der in diesen Dienstleistungsunternehmen Beschäftigen, von denen im Bericht keine Rede ist.

Für die grossen Dienstleistungskonzerne sind Privatisierungsoffensiven im Bereich der Daseinsvorsorge ein profitables Geschäft. Wer sich zum ausführenden Arm ihrer Forderungen macht, muss wissen, was er tut.