Sahra Wagenknecht

«Wir werden denen, die die Linke klein haben wollen, nicht den Gefallen tun, uns zu zerlegen"

Interview der Nachrichtenagentur dapd mit Sahra Wagenknecht vom 07.01.2011

07.01.2011

dapd: Was erwarten Sie vom politischen Jahresauftakt der Linken am Montag in Berlin?

Wagenkecht: Ich erwarte, dass die Vorsitzenden und Gregor Gysi noch mal unsere Schwerpunkte skizzieren. Dass deutlich wird, mit welchen Inhalten wir in die sieben Landtagswahlkämpfe 2011 gehen. Die Linke ist ja unverändert die einzig anti-neoliberale Partei in diesem Land. Wir werden denen, die die Linke klein haben wollen, nicht den Gefallen tun, uns zu zerlegen. Ich hoffe auf einen Auftakt, bei dem wir unsere Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen. Wir lehnen Kriege ab, wir wollen, dass die Verursacher für das Banken- und Schuldendesaster zahlen. Wir haben keinen Grund, uns
bei Hartz-IV-Parteien und Rentenzerstörern wie SPD und Grünen anzubiedern: Das sind Positionen, die von nahezu allen in der Partei geteilt werden.

dapd: Der Aufsatz von Partei-Chefin Gesine Lötzsch in der «Jungen Welt» sorgte für viel Aufregung. Wie werten Sie ihr Bekenntnis zum Kommunismus?

Wagenknecht: Wer den Aufsatz gelesen hat, dem ist klar, dass Lötzsch dort unter Kommunismus nicht die Systeme der Vergangenheit versteht. Unsere Partei ist sich darüber einig: Wir wollen den Kapitalismus überwinden, der heute den Wohlstand von Mehrheiten zerstört. Die aktuelle Situation zeigt doch, dass wir eine neue Wirtschaftsordnung brauchen. Dazu entwickelt die Partei Vorstellungen und Konzepte. Wer Lötzsch unterstellt, dass sie in die Vergangenheit zurück will, verfälscht böswillig. Die Linke will die DDR nicht wieder haben. Das Problem ist, dass die anderen Parteien
keine Konzepte für die Zukunft haben, und deshalb versuchen, unsere zu diffamieren, statt sich sachlich damit auseinanderzusetzen.

dapd: Auch in der eigenen Partei gibt es Kritiker, die monieren, Lötzsch hätte mindestens die Opfer, die im Namen des Kommunismus litten und starben, erwähnen müssen.

Wagenknecht: Lötzsch hat sich oft genug auch dazu geäußert. In dem Aufsatz ging es nicht um die Vergangenheit, sondern um Konzepte für die Zukunft.

dapd: Auch Co-Chef Ernst ist parteiintern in der Kritik. Wie zufrieden sind sie mit der neuen Doppelspitze?

Wagenknecht: Die beiden wurden in einer sehr schwierigen Situation an die Spitze gewählt. Es ist völlig klar, dass eine Partei den Rücktritt einer Persönlichkeit wie Oskar Lafontaine nicht einfach so wegsteckt. Immerhin haben wir es geschafft, stabile Umfragewerte zu halten und inhaltlich unser Profil zu wahren. Es ist dieser Führung auch nicht leicht gemacht worden durch einige wenige in der Partei, die sich offenbar nur dadurch profilieren können, dass sie versuchen, führende Mitglieder unserer Partei öffentlich zu diffamieren.

dapd: Wünschen Sie sich Lafontaine an die Spitze zurück?

Wagenknecht: Es gibt wenige Politiker, die so fähig und profiliert sind und so pointiert Positionen vertreten. Ohne Lafontaine gäbe es die Linke nicht, er hat sie erst groß gemacht. Aber die Situation ist jetzt, wie sie ist, und ich bin froh, dass wir zwei gute Parteivorsitzende haben.

dapd: Es gab Gerüchte, aus Unzufriedenheit über Ernst wolle sich eine Landesgruppe Ost bilden?

Wagenknecht: Das wurde von den Protagonisten ja schon dementiert. Ich halte das für großen Blödsinn. Die sozialen Probleme im Land sind in Ost und West ähnlich. Unserer Partei hat nur eine Zukunft, wenn sie die Gemeinsamkeiten nach vorn stellt und nicht hier Ost- und da West-Politik macht. Das soziale Desaster des Kapitalismus ist in Ost wie West spürbar und wir brauchen für das gesamte Land Alternativen. Die Heckenschützerei in der Partei muss aufhören.

dapd: Ist der saarländische Weg, nach dem Denunzianten künftig aus der Partei ausgeschlossen werden sollen, auch für die Bundesebene geeignet?

Wagenknecht: Es hat niemand vorgeschlagen, das in die Bundessatzung zu übernehmen. Das ist eine saarländische Angelegenheit, die dort sicher ihre Begründung hat.

dapd: Die Linke wird in einigen Ländern immer noch durch den Verfassungsschutz überwacht...

Wagenknecht: Das ist unverschämt und muss sofort aufhören. Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite wie in NRW parlamentarisch mit der Regierung kooperieren und auf der anderen Seite unsere Partei mit der Verfassungsschutzkeule verfolgt wird. Die Linke ist doch die einzige Partei, die das Grundgesetz noch ernst nimmt. Das Sozialstaatsgebot etwa wird von allen anderen Parteien seit Jahren mit Füßen getreten.

dapd: Gehen Sie angesichts der internen Streitigkeiten davon aus, dass das Grundsatzprogramm wie geplant Ende 2011 fertiggestellt werden kann?

Wagenknecht: Auf jeden Fall. Es wird viele Ergänzungen, Verbesserungen und Präzisierungen geben. Aber ich habe das Gefühl, die Grundrichtung des Programms wird von einer großen Mehrheit getragen.