Sahra Wagenknecht

Warten auf Roosevelt - Diskussion der Linken um den Finanzcrash

Artikel zur Bankenkonferenz der Linksfraktion in Frankfurt am Main am 17.09.2010, erschienen in der Frankfurter Rundschau am 18.09.2010

18.09.2010

Es gibt Che-Guevara-T-Shirts. Und Flyer wie damals in den 80ern: „Pakistanische Linke organisiert Hilfe", oder „Vorwurf: Fluten zum Schutz…" Es ist so voll wie seinerzeit in Uni-Vollversammlungen. Voll von Leuten, die zumindest schon in den 80ern aktiv waren, sich eine andere Politik, eine ander Wirtschaftsordnung, ein anders Leben vorstellten. Auf jeden Fall anders.

Hier sind sie richtig: Am Freitagabend im Haus der Jugend, der Frankfurter Jugendherberge, wo es um „Blasen, Crashs, Renditejagd" geht. Wo auf dem Podium Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete der Linken, mit dem Betriebswirtschaftsprofessor und Bestsellerautor Max Otte aus Worms und der langjährigen Medienfigur Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts für Wirtschaftsordnung, nach einer Antwort auf die Frage „Sind die Banken noch zu retten?" sucht. Herbert Jütten vom Bankenverband muss aus „persönlichen Gründen" fernbleiben. Moderator und Wirtschaftskolumnist Lucas Zeise findet es schade, dass der Verband niemand anderen geschickt hat. Das Publikum findet es lustig.

So wird die Podiumsrunde zu einer recht freundlichen, immerhin angenehm kontroversen und nur selten unfundierten Klärung meist bekannter Positionen. Die Analysen unterscheiden sich kaum, schon grundsätzlicher sind die Differenzen um die Frage, was sich aus der Analyse ergibt.

Das Unstrittige: Alle, die dem Irrsinn der Kreditspirale der Finanzwirtschaft hätten Einhalt gebieten können, haben mitgezockt. Verloren hat keiner von ihnen, verloren haben die, die schon immer den Kürzeren zogen. Früher nannte man das Proletariat. Heute spricht man vom Steuerzahler, vom Kleinanleger, von der Binnenwirtschaft, vom Mittelstand. Gewonnen haben jene, die die Zockerei begannen und jene, die eh immer gewinnen. Bei Wagenknecht heißen sie griffig und nostalgisch „die oberen Zehntausend".

„Banken sind Wettbüros"

Otte und Sinn widersprechen dem nicht. So recht folgen wollen sie der Linken nicht, wenn sie den Staat (also alle kapitalistischen Staaten) als bewusste Akteure vor dem und während des Crashs identifiziert. Eher schon, wenn sie besonders knackige Sätze sagt wie „Banken sind Wettbüros". Sinn sieht in dem Crash Systemversagen durch falsche Regulierung. Wagenknecht nennt es Betrug. Otte sagt zu keinem von beidem Nein. Der Unterschied ist auch mehr sprachlicher Natur.

Pragmatiker Otte favorisiert das Warten auf einen neuen Roosevelt, der aufräumt – auch wenn man schon 25 Jahre wartet. Sinn analysiert lieber faktenreich, sich des geringen Einflusses auf die Politik bewusst. Wagenknecht hat Parolen und weiß, wer schuld ist. Das kommt beim Publikum an. Die Che-Shirts finden übrigens nicht so den reißenden Absatz.