Sahra Wagenknecht

Pokern um Irland. Banken retten, Bürger schröpfen.

Gastkommentar von Sahra Wagenknecht, erschienen in der jungen Welt am 20.11.2010

20.11.2010

Nächste Woche sollen die EU-Finanzhilfen für Irland stehen. Vorangegangen war ein zähes Ringen um die Art und Weise, wie in diesem Fall vorgegangen werden kann. Das Ziel war klar: Der irische Staat soll gestützt werden, damit er die irischen Banken retten kann, die sich im Immobilienrausch verzockt hatten. Dabei geht es vor allem um die Profite anderer europäischer Finanzkonzerne, darunter neben den britischen maßgeblich der deutschen, die mit bis zu 150 Milliarden Euro in Irland engagiert sein sollen. Wie eine solche Rettung allerdings zu bewerkstelligen ist, war unklar. Schließlich ist der EuroRettungsschirm vordergründig dafür konzipiert, Staaten vor dem Bankrott zu bewahren und nicht Geldinstitute. Irland jedoch ist derzeit gar nicht zahlungsunfähig. Daß sich die Krise überhaupt so zugespitzt hat, liegt vor allem daran, daß sich das Zinsniveau dank des Insolvenzgeplauders von Angela Merkel derart erhöht hat, daß Kredite für angeschlagene Staaten wie Irland immer teurer wurden. Also bemühen sich EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds seit Tagen, Irland zu einer Einigung über das Rettungspaket zu nötigen – und entsprechende Auflagen zu vereinbaren.

So schwierig die Verhandlungen auch sind, in einer Sache herrscht Konsens: Die kontinentale Bankenrettung soll auf jeden Fall vom europäischen Steuerzahler bezahlt werden. Um festzuzurren, worum es geht, sprang auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in die Bresche. Er mahnte vor dem Hintergrund der Irland-Krise eine Verschärfung des Stabilitätspaktes an. Dies ist zwar absurd, weil die Inselrepublik in der Vergangenheit, im Gegensatz beispielsweise zu Deutschland, überhaupt nicht gegen die Defizitregeln verstoßen hat. Die Misere Irlands ist nicht auf zu lasche Defizitregeln zurückzuführen, sondern auf einen jahrelangen Bauboom auf Pump, den die Banken mit endlosen Krediten ermöglicht haben, von denen jetzt ein großer Teil faul geworden ist. Dies dürfte auch Monsieur Trichet nicht entgangen sein. Worum es ihm allerdings mit seinem Vorstoß gehen dürfte, ist, die Marschroute klarzumachen. Der Stabilitätspakt ist schließlich immer ein probates Mittel, um den öffentlichen Ausgaben Daumenschrauben anzulegen. Geringer werden die Schulden dadurch in der Regel nicht.

Anstatt mit dem Vorschlag von Trichet die Schuldenkrise weiter zu verschlimmern, wären andere Maßnahmen notwendig. Die EZB müßte endlich Direktkredite an die Staaten vergeben, damit die Subventionierung von Bankenprofiten durch EZB-Gelder aufhört. Darüber hinaus zeigt sich immer deutlicher, daß das Herumdoktern an Einzelsymptomen das Grundproblem der Finanzkrise nicht löst. Notwendig ist es deshalb, jetzt endlich über eine Gesamtentschuldung im Euroraum nachzudenken. Die EU darf nicht ein Bankenrettungsverein im Verständnis eines Jean-Claude Trichet sein, sondern muß Politik im Interesse der in Europa lebenden Menschen machen.