Sahra Wagenknecht

"Was die EZB tut, hilft nur den Banken"

Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 06.12.2013

06.12.2013

Sahra Wagenknecht kritisiert die Europäische Zentralbank und fordert, notfalls auch mal Verbotenes zu tun

SZ: Frau Wagenknecht, über viele Jahre hat die Linke von der Europäischen Zentralbank verlangt, die Zinsen zu senken und sich neben dem Erhalt der Geldwertstabilität auch der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu verschreiben. Jetzt ist die Geldpolitik seit langer Zeit ultra-locker - und Sie meckern immer noch. Sahra Wagenknecht: Natürlich, denn es schadet ja auch, wenn die Zinsen zu niedrig sind - zumal diese niedrigen Zinsen ja nicht in der Wirtschaft ankommen. Wir haben zwar einen Leitzins von 0,25 Prozent, aber selbst in Deutschland Dispozinsen von zwölf bis 14 Prozent . . .

. . . Die legt aber nicht die EZB fest. Nein, aber das zeigt, wie wirkungslos die EZB-Politik in diesem Punkt ist. Die niedrigen Zinsen enteignen die normalen Sparer und vergrößern den Reichtum der Oberschicht, indem sie die Vermögenspreise in die Höhe treiben. Sie halten Pleitebanken künstlich am Leben, ändern aber nichts an der Kreditklemme in Südeuropa. Das billige Geld der Notenbank wird also nicht investiert, sondern auf den Finanzmärkten verzockt.

Was kann die EZB tun, um beispielsweise die Kreditklemme zu beheben? Das kann die EZB nicht leisten, dafür ist die Politik verantwortlich. Wir brauchten eine Abwicklung maroder Banken bei Kostenübernahme durch die Eigentümer und die Gläubiger. Ein von Altlasten befreiter Bankensektor könnte dann auch wieder Kredite vergeben. Außerdem brauchen wir Regeln, die verhindern, dass das Geld in reine Spekulationsgeschäfte fließt. Dann müssen Sie Ihre Kritik aber statt an Herrn Draghi an Frau Merkel richten. Das tun wir ja auch. Draghi ist aber Teil des Problems, denn die EZB hat ja kräftig dazu beigetragen, dass das Investmentbanking in Europa wieder boomt. Das dürfte bei der beruflichen Herkunft von Herrn Draghi auch kein Zufall sein.

Sie spielen auf seine Vergangenheit als Goldman-Sachs-Banker an.

Ja. Die EZB hilft mit ihrer Politik den Investmentbanken und enteignet Kleinsparer. Was also soll sie anders machen? Die EZB könnte in der Euro-Krise tatsächlich eine positive Rolle spielen, wenn sie ihr Geld statt den Banken in begrenztem Maße direkt den Staaten leihen würde. .. Das ist schlichtweg verboten. Es passiert so viel, was verboten ist. Tolles Argument!

Was die EZB bisher tut, hilft jedenfalls nur den Banken. Sie erhalten billiges Geld und verleihen es dann teuer an Staaten weiter. Und wie verhindern Sie, dass die Staaten das billige EZB-Geld einfach verjubeln? Indem man die Kreditvergabe an Bedingungen knüpft - aber nicht an Sozialabbau und ein Kaputtsparen der Wirtschaft, sondern etwa an ein funktionierendes Steuersystem mit einer Vermögensteuer. Und daran, dass das Geld investiert wird. Wo sehen Sie noch Reformbedarf? Die EZB sollte nicht die Bankenaufsicht in Europa übernehmen. Das ist doch ein Witz: Der größte Gläubiger der Privatbanken entscheidet künftig darüber, ob ein marodes Institut geschlossen wird. Da ahnt man doch, wie das ausgehen wird. INTERVIEW: CLAUS HULVERSCHEIDT Sahra Wagenknecht, 44, ist Vizechefin der Linksfraktion im Bundestag. Ihre Mitgliedschaft in der Kommunistischen Plattform der Partei ruht seit einigen Jahren.