Sahra Wagenknecht

Schattenbanken, Schattenfinanzplätze, Schattenhaushalte

Kommentar von Sahra Wagenknecht vom 26.11.12 auf www.linksfraktion.de

26.11.2012

Im Jahr 2008 kamen die Vertreter der 20 wichtigsten Industrienationen in Washington zu dem Schluss, dass auf den Finanzmärkten mehr Transparenz geschaffen werden müsse, wenn man künftige Krisen vermeiden wolle. "Wir verpflichten uns zu gewährleisten, dass alle Finanzmärkte, Produkte und Akteure reguliert oder überwacht werden", hieß es in der Abschlusserklärung des Gipfels. Nie wieder sollte es möglich sein, dass Banken irrwitzige Risiken außerhalb ihrer Bilanz ansammeln oder Finanzprodukte geschaffen werden mit dem einzigen Ziel, Kreditrisiken zu verschleiern. Doch was ist seitdem passiert?

Nach wie vor ist keines der hochkomplexen Giftpapiere verboten und der Sektor der Schattenbanken ist in den letzten Jahren nicht kleiner, sondern noch größer geworden. In den USA entfallen inzwischen mehr Verbindlichkeiten auf das System der Schattenbanken als auf den regulären Bankensektor. Auch in Deutschland spielen Schattenbanken nach wie vor eine wichtige Rolle. Die Bundesbank schätzt das Nettovermögen des deutschen Schattenbanksektors auf 1,3 Billionen Euro, was etwa 15 Prozent der Bilanzsumme des regulären Bankensektors entspricht. In Wirklichkeit dürfte der Anteil aber noch deutlich höher sein. Denn nach der deutschen Definition werden unter Schattenbanken in erster Linie Investmentfonds, Hedgefonds oder Private Equity Fonds verstanden. In einer breiteren Definition umfasst der Sektor der Schattenbanken aber sämtliche Finanzgeschäfte, in die Akteure oder Aktivitäten involviert sind, die außerhalb des regulären Bankensystems angesiedelt und damit der Aufsicht und Kontrolle weitgehend entzogen sind.

Immer mehr risikoreiche Investitionen werden getätigt

Wie die Bundesbank in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht festhält, haben die meisten Banken aufgrund der üppigen Rettungspakete zwar ihre Eigenkapitalquoten verbessern können. Gleichzeitig haben sinkende Zinsen aber dazu geführt, dass immer mehr risikoreiche Investitionen getätigt werden. Zum Beispiel sind Investitionen in Hedgefonds seit Ende 2006 um zwei Drittel auf 1,5 Bio. US-Dollar gestiegen. Wir erinnern uns: Bis Ende 2003 galten Hedgefonds als so gefährlich, dass sie in Deutschland verboten waren. Es ist einer rot-grünen Bundesregierung zu danken, dass die mitunter auch von der SPD gescholtenen "Heuschrecken" seit 2004 auch in Deutschland ihr Unwesen treiben dürfen.

"Im Kampf gegen Schattenbanken und Schattenbankengeschäfte ist noch nichts passiert,"stellte der deutsche Sparkassenpräsident Fahrenschon im Sommer 2012 ernüchtert fest. Doch warum versagen die Regierungen so kläglich bei der Aufgabe, Licht ins Dunkel der Finanzgeschäfte und Akteure zu bringen? Zum einen dürfte mehr Transparenz schlicht nicht im Interesse der Reichen und Superreichen sein, besteht doch ein Großteil ihrer Macht genau darin, dass sie im Hintergrund und von der Öffentlichkeit unbeachtet ihre Fäden ziehen können. Nach Schätzungen des Tax Justice Network sind private Vermögen im Wert von 21 bis 38 Billionen US-Dollar in Schattenfinanzplätzen versteckt und dadurch den Steuerbehörden entzogen. Der Schaden, der daraus für die öffentliche Hand entsteht, beläuft sich auf dreistellige Milliardensummen - jährlich.

Dubiose Tricks kopiert

Statt Schattenbanken und Schattenfinanzplätze entschieden zu bekämpfen, sind immer mehr Regierungen dazu übergegangen, die dubiosen Tricks zu kopieren, mit denen sich Risiken verschleiern lassen. Während man auf der einen Seite Schuldenbremsen verfügt, schafft man auf der anderen Seite gigantische Schattenhaushalte, um all jene Schulden zu verstecken, die im Zuge der Bankenrettung aufgehäuft worden sind. Ein solcher Schattenhaushalt ist beispielsweise der 480 Milliarden schwere Bankenrettungsfonds, der aus dem offiziellen Bundeshaushalt ausgegliedert ist – und dies, obwohl seine Operationen am Ende sehr wohl haushaltswirksam werden. Oder man denke an den europäischen Bankenrettungsfonds ESM. Hier ist es nur den Verfassungsklagen, unter anderen der Linksfraktion, zu danken, dass rudimentäre Kontroll- und Informationsrechte des Bundestags im letzten Moment noch durchgesetzt werden konnten.

Solange die Bundesregierung Schattenhaushalte schafft, um die Bevölkerung über die Risiken der Bankenrettungspolitik zu täuschen, solange deutsche Banken undurchsichtige Finanzprodukte vertreiben dürfen und den Reichen und Superreichen dabei helfen, ihr Vermögen vor dem Fiskus zu verstecken, solange es nicht gelingt, das Schattenbankensystem einzudämmen, obwohl von ihm systemische Risiken ausgehen, kurz: Solange die Lektion der Krise nicht gelernt wird, sind neue und noch größere Krisen nur eine Frage der Zeit.

linksfraktion.de, 26. November 2012