Sahra Wagenknecht

Keine Privatisierung der Berliner Sparkasse!

Eine Erwiderung auf die „Dessauer Erklärung" der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Linkspartei.PDS

22.02.2007

Die von der Fraktionsvorsitzendenkonferenz am vergangenen Wochenende verabschiedete "Dessauer Erklärung" entspricht nicht unserem Verständnis von linker Arbeit in den Parlamenten. Insbesondere teilen wir nicht die herausgehobene Bedeutung von Regierungsbeteiligungen und die Sichtweise auf die rot-rote Koalition in Berlin als Referenzprojekt linker Politik. Wir treten in den Landtagen, im Bundestag und im Europarlament entschieden für einen anderen Kurs ein. Notwendig sind politisches Engagement und Konzentration auf die wirklichen sozialen Probleme der Menschen und entsprechend überzeugende Lösungen.

Wir bestreiten nicht, dass in Regierungsverantwortung einige vorzeigbare Ergebnisse erzielt wurden und die Berliner Koalitionsvereinbarung durchaus positive Elemente beinhaltet. Dieses jedoch als beispielgebend für eine "Konzentration auf die zentralen sozialen Fragen" zu bezeichnen, geht sowohl an der Lebenswirklichkeit als auch an den Herausforderungen vor denen die Linke in der BRD steht, meilenweit vorbei. Wen wundert es dann noch, wenn von Hartz-IV bedingter Verarmung, von radikaler Privatisierung der Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge oder dem Verkauf der Berliner Sparkasse in der Dessauer Erklärung kein Wort zu finden ist.

Damit geht die Erklärung noch weit hinter die im letzten Jahr vom Berliner Landesverband selbst durchgeführte kritische Analyse zurück. Völlig ausgeblendet wird das schlechte Wahlergebnis 2006. Hier hat die Linke in Berlin die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Völlig ausgeblendet wird, dass auch der Beginn der neuen Wahlperiode mit der Entscheidung zur Aufhebung des Ladenschlusses erneut die Lebensverhältnisse vieler Menschen in Berlin verschlechtert hat. Wenn die Linke in Regierungsbeteiligung sich auf diese Weise immer wieder vermeintlichen Sachzwängen beugt, entzaubert sie sich selbst, verliert an Rückhalt und schwächt gesellschaftlichen Widerstand. Das Argument des kleineren Übels, das häufig zur Rechtfertigung solcher Entscheidungen herhalten muss, ist nicht überzeugend. Auch eine starke linke Opposition im Parlament kann im Zusammenspiel mit außerparlamentarischen Kräften die Regierung erfolgreich unter Zugzwang bringen.

Die bisherige Regierungsbeteiligung in Berlin hat schon zu viel Glaubwürdigkeit verspielt. Dies liegt maßgeblich daran, dass sie in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder Privatisierungen zugestimmt hat. Zu Recht wird in der Dessauer Erklärung nun positiv festgestellt, dass im neuen Koalitionsvertrag weitere Privatisierungen der Öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeschlossen werden. Dies muss nun eingelöst werden. Der Verkauf der Berliner Sparkasse an einen privaten Investor muss verhindert werden. Zwar verkennen wir nicht, dass die EU-Kommission über die Genehmigung der Beihilfen versucht, Druck in Richtung Privatisierung der Sparkassen auszuüben. Der Berliner Senat hat es bisher aber versäumt, durch Änderungen im Berliner Sparkassengesetz, einen Verkauf an private Investoren zu verhindern oder zu erschweren.

Es geht um mehr, als ein Konto für jedermann und Arbeitsplatzsicherheit. Sparkassen sind wichtige Triebfedern regionaler Wirtschaftsförderung, die nicht dem Profitprinzip sondern der gemeinnützigen Gewinnverwendung verpflichtet sind. Sie sind zudem den privaten Großbanken ein Dorn im Auge, weil sie Druck nach unten bei den Gewinnmargen ausüben. All das spiegelt sich weder im Berliner Sparkassengesetz noch in den Bieterauflagen wider.

Gelingt es der Linkspartei in Berlin nicht, den Verkauf der Sparkasse an Private zu verhindern, ist ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Daseinsvorsorge erneut erschüttert. Der Koalitionsvertrag wäre in einem wesentlichen Punkt gebrochen. Wir treten deshalb für den Ausstieg aus der Berliner Koalition ein, wenn die Sparkasse an einen privaten Investor verkauft wird.

Die Entscheidung zur Berliner Sparkasse ist nicht allein Sache des Berliner Landesverbandes. Wir befinden uns in mehreren Bundesländern ebenfalls in der Auseinandersetzung um den Erhalt der öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Darüber hinaus beeinträchtigt die rot-rote Regierungsbeteiligung schon seit geraumer Zeit die Glaubwürdigkeit der Linken bundesweit. Die Politik der Linkspartei im Berliner Senat und allen voran die Entscheidung zur Sparkasse sind insofern Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der neuen Linken insgesamt.

Glaubwürdigkeit zeigt sich nicht in erster Linie in unserer Kompromissfähigkeit, sondern in der Fähigkeit Widerstand gegen den Abbau sozialer und demokratischer Rechte und für Alternativen auch parlamentarisch zu unterstützen. Ganz im Gegensatz zur Dessauer Erklärung steht dies nicht im Widerspruch zu unserer grundlegenden Kritik am kapitalistischen System und dem Eintreten für einen demokratischen Sozialismus. Die Linke darf sich nicht nur darauf beschränken, konkrete Vorhaben im Hier und Jetzt umzusetzen. Unser Ziel muss es sein, mit unseren politischen Projekten zugleich die Perspektive für eine grundlegend andere Gesellschaftsordnung zu öffnen. Nur dann werden wir unserem Anspruch einer sozialistischen Partei gerecht.

Um uns dieser Herausforderung zu stellen, ist Glaubwürdigkeit eine unerlässliche Voraussetzung. In der Programmatik der neuen linken Partei müssen deshalb klare Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligung verankert werden: Insbesondere muss die Linke Privatisierungen öffentlichen Eigentums konsequent ablehnen.

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:

  • Barbara Borchardt (MdL Mecklenburg-Vorpommern)
  • Birgit Schwebs (MdL Mecklenburg-Vorpommern)
  • Eva Bulling-Schröter (MdB)
  • Heike Hänsel (MdB)
  • Inge Höger (MdB)
  • Johanna Scheringer (MdL Thüringen)
  • Klaus Bartl (MdL Sachsen)
  • Kornelia Möller (MdB)
  • Nele Hirsch (MdB)
  • Paul Schäfer (MdB)
  • Sahra Wagenknecht (MdEP)
  • Sevim Dagdelen (MdB)
  • Tobias Pflüger ( MdEP)
  • Torsten Koplin (MdL Mecklenburg-Vorpommern)
  • Ulla Jelpke (MdB)
  • Ulla Lötzer (MdB)

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