Sahra Wagenknecht

Die Zeche der Party zahlen die Kleinen - Sahra Wagenknecht spricht vor 400 Aachenern

Artikel in den Aachener Nachrichten vom 25.09.2009

26.09.2009

Aachen. Nach etwa anderthalb Stunden ist sie endlich dran. So lange haben die rund 400 Menschen auf dem Willy-Brandt-Platz warten müssen, bis Sahra Wagenknecht redet. Das Warten hat sich für sie gelohnt, nicht nur wegen der Ansprachen, die der Linken-Bundestagsabgeordnete Paul Schäfer, der Aachener Bundestagskandidat der Linken Andrej Hunko und die migrationspolitische Sprecherin im Bundestag, Sevim Dagdelen, halten – auch wegen des rhetorisch scharfen Vortrags der Linken-Politikerin vom linken Flügel der Oppositionspartei.

Wenn sie redet, laufen zuweilen sogar Konservative Gefahr, zum Überläufer zu werden – nicht etwa, weil sie schön ist, sondern weil sie etwas zu sagen hat. Sie geht auf die Wirtschaftskrise ein und kommt zum Ergebnis, dass „das Kartell der kapitalistischbürgerlichen Parteien“ – damit gemeint sind die CDU, SPD, FDP und Grüne – Schuld an der Misere seien. „Die haben die gesetzlichen Möglichkeit geschaffen. Für eine Party der Zocker und Gewinnabsahner, für die jetzt die kleinen Leute die Zeche bezahlen müssen.“

Wie ein Peitschenhieb
Wie ein Peitschenhiebe knallen ihre Worte durch die Luft, man hat unweigerlich das Gefühl, sich ducken zu müssen. Sahra Wagenknecht ist unmissverständlich: „Der Deregulierungswahn hat die Wirtschaft zugrundegehen lassen, nicht die Pleite der Lehman-Brothers. Um der Gewinnmaximierung zu dienen, begann das Buckeln vor der Wirtschaft unter Rot-Grün. Der Binnenmarkt wurde regelrecht ausgezehrt durch Lohndumping bei Leiharbeit, der modernen Form des Sklaventums und der Hartz-IV-Gesetzgebung, die nicht auf Gerechtigkeit, sondern auf Armut und Erniedrigung
setzt.“ Tosender Beifall ist nach diesen Worten zu hören. Und manch einem SPD-Abtrünnigen wird’s warm ums Herz. Die Frau spricht dem Publikum aus der Seele. „Und es geht weiter“, warnt sie. Die Bundesregierung habe den Banken einen Blankoscheck über 480 Milliarden ausgestellt, per Akklamation hätten FDP und Grüne zugestimmt.

Fünf Prozent Vermögenssteuer
Sahra Wagenknecht schüttelt den Kopf: „Für wie blöd hält die FDP die Bürger eigentlich mit dem Spruch ‚Arbeit muss sich wieder lohnen‘,“ fragt sie. Natürlich müsse sich Arbeit lohnen, das sei klar eine herausgehobene Forderung der Linken. Aber den Liberalen komme es da mehr auf den Abbau von Arbeitnehmerrechten an. Sie fordert ein Bildungs- und Gesundheitsprogramm von 100 Milliarden Euro jährlich. „Wenn wir eine Steuer von fünf Prozent für mehr als eine Million Euro Vermögen einführen, flössen 80 Milliarden Euro in den Staatssäckel“, behauptet die linke Wirtschaftspolitikerin: „Im kapitalistischen England sind es 90 Milliarden Euro.“

Unverdrossen geißelt Sahra Wagenknecht „die anhaltende Privatisierung öffentlicher Aufgaben“. Zwei Millionen Arbeitsplätze seien so vernichtet worden, prekäre Lohnverhältnisse entstanden. „Die Qualität des öffentlichen Dienstes hat gelitten. Auf Kosten der Bürger“, stellt sie fest. Paul Schäfer geht am Abend hart mit der Afghanistan-Politik ins Gericht. Sevim Dagdelen bezeichnet den Verteidigungsminister als „den Herrn Kriegsminister Jung“ und Kandidat Hunko verspricht, die Basis nach seinem Einzug in den Bundestag nicht zu vergessen. Das Dortmunder Kabarett-Duo „Taubenvergifter“ verkürzte die Pausen zwischen den Reden.

VON GEORG DÜNNWALD