Sahra Wagenknecht

"Ich habe meine Gegner überschätzt"

Sahra Wagenknecht (Die Linke) erzählt, wie sie von dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers erfuhr - und warum sie die Krise kommen sah. Erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 17.03.09

17.03.2009

SZ: Wo erfuhren Sie von Lehmans Pleite?

Sahra Wagenknecht: Ich war in Berlin und schrieb an meinem Buch "Wahnsinn mit Methode. Finanzcrash und Weltwirtschaft". Sinnigerweise gerade an dem Kapitel, das die innere Logik von Spekulationsblasen beschreibt. Allerdings lautete der zweite Teil des Titels damals noch "Warten auf den großen Crash".

SZ: Was war Ihr erster Gedanke?

Sahra Wagenknecht: Ich habe meine Gegner überschätzt. Sie haben wirklich keinen Plan und sind in ihrer kurzsichtigen Konkurrenzlogik sogar noch dümmer, als Marx angenommen hatte.

SZ: Seien Sie bitte ehrlich: Ahnten Sie, was da auf uns zukommt?

Wagenknecht: Wer sich die vorangegangene Verschuldungsentwicklung etwa des amerikanischen Privatsektors angesehen hat, musste ahnen, was kam und noch kommen wird. Das ganze globale Wirtschaftsmodell der letzten Jahrzehnte beruhte auf wachsender Verschuldung. Das Platzen der Blase musste deshalb auch die Realwirtschaft in die Knie zwingen.

SZ: Wie haben die vergangenen sechs Monate die Welt aus Ihrer Sicht verändert?

Wagenknecht: Es ist jetzt offensichtlich geworden, dass der Kapitalismus nicht nur sozial ungerecht ist, sondern auch wirtschaftsfeindlich. Er führt zu einer systematischen Fehlsteuerung der Wirtschaft, zu bedrohlichen globalen Ungleichgewichten und im Ergebnis zu einer massiven Zerstörung von Produktion und Produktivität, von Arbeitsplätzen und Wohlstand, von Innovation und Kreativität. Dass wir eine andere Wirtschaftsordnung brauchen, ist heute kaum noch von der Hand zu weisen.

Die Lehman-Pleite erschütterte vor einem halben Jahr die Finanzwelt. Eine Woche lang erzählt jeden Tag ein Prominenter, was er dachte, als er es erfuhr.

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