Sahra Wagenknecht

Merkels Endlos-Lockdown wirkt nicht! Es gibt bessere Alternativen

Weitergedacht - Die Wagenknecht Kolumne, erschienen auf Focus online am 08.01.2021

08.01.2021

Falsche Dosis? Oder falsches Medikament? Bevor wir uns in einem Endlos-Lockdown einrichten, der alle paar Wochen verschärft wird und immer mehr Existenzen zerstört, sollten wir dringend prüfen, ob die beschlossenen Maßnahmen überhaupt Sinn ergeben. Es gibt gute Alternativen.

Wenn die Medizin nicht wirkt, erhöhe die Dosis. Dieser Ratschlag mag bei manchen Therapien zum Erfolg führen. Er kann aber auch fatale Folgen haben. Dann nämlich, wenn die Wirkungslosigkeit nicht an der Dosierung liegt, sondern daran, dass es schlicht die falsche Medizin ist. Dann führt die Erhöhung der Dosis zu mehr und möglicherweise gefährlicheren Nebenwirkungen, ohne dass sich die erhoffte Linderung einstellt.

Nachdem Gesundheitsminister Spahn viele Ladenbesitzer im Herbst noch mit der Bemerkung beruhigt hatte, „niemals wieder“ würden aus Gründen des Infektionsschutzes flächendeckend die Läden dicht gemacht, geht der im Dezember dann doch beschlossene Lockdown jetzt in die Verlängerung und wird durch zusätzliche Einschränkungen verschärft. Das Ende ist offen und nicht absehbar. Denn wer glaubt denn im Ernst, dass die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz, auf die sich die an den Beschlüssen beteiligten Politiker mantraartig beziehen, am 31. Januar wieder unter 50 liegen könnte? Auch die Hoffnung, dass das Anfang März der Fall sein könnte, ist gering. Zumal dank der chaotischen Impfstrategie auch von dieser Seite kurzfristig keine spürbare Reduzierung der Infektionen zu erwarten ist.

Es ist also ziemlich klar: Wenn das formulierte Kriterium ernst gemeint ist – was man angesichts der vielen erratischen Wendungen der handelnden Politiker natürlich nicht weiß – , aber wenn tatsächlich auf eine Inzidenz unter 50, vielleicht gar unter 25 gewartet werden soll, müssen wir davon ausgehen, dass das komplette erste Quartal 2021 für Einzelhändler, Restaurantbesitzer, Friseure, Künstler, Veranstalter, Fitnessstudiobetreiber, Kosmetikerinnen und alle anderen schon 2020 schwer gebeutelten Berufsgruppen ein komplett verlorenes Quartal sein wird. Wie viele danach überhaupt noch in der Lage sein werden, ihr Gewerbe fortzuführen, ist eine offene Frage. Ebenso offen wie die, wie sehr jeder Monat geschlossener Schulen die Perspektive all der Kinder und Jugendlichen verdüstert, die nicht das Glück haben, dass ihre akademisch gebildeten und möglichst im Homeoffice tätigen Eltern mit ihnen den Schulstoff üben können.

Schnelltests für Alten- und Pflegeheime hätten Leben retten können

Ja, die aktuellen Zustände in vielen Krankenhäusern und Pflegeheimen sind ernst. Tausende Pflegekräfte leisten Übermenschliches und können trotzdem viele Menschenleben nicht retten. Es wäre nicht zu verantworten, diese Situation, die schon jetzt viele Krankenhäuser an die Grenze ihrer Möglichkeiten bringt, weiter eskalieren zu lassen. Aber fällt wirklich niemandem auf, dass die Einschränkungen seit November und deren Verschärfung im Dezember in den Krankenhäusern kaum Erleichterung gebracht haben? Ehe man sich mit dem spekulativen Hinweis beruhigt, ohne die Maßnahmen wäre alles sicher noch viel schlimmer, könnte man immerhin einmal die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Zahl der Intensivpatienten vielleicht auch deshalb so hoch geblieben ist, weil die beschlossenen Maßnahmen nicht besonders sinnvoll waren.

30.000 Menschen sind im letzten Jahr an und mit Corona gestorben. Knapp ein Drittel davon allein im Dezember. Die meisten waren über 80 Jahre alt. Am Schlimmsten hat das Virus in den Alten- und Pflegeheimen gewütet. Allein in Hessen waren 86 Prozent der Toten Bewohner von Pflegeheimen. Für die anderen Bundesländer gibt es unterschiedliche Zahlen, aber es ist ziemlich klar: Die Mehrheit der Verstorbenen hat zuvor in einer Betreuungseinrichtung gelebt. Zumindest bei Bewohnern von Pflegeheimen ist nun allerdings wenig wahrscheinlich, dass sie sich das Virus bei einer Shoppingtour oder einem Restaurantbesuch zugezogen haben, auch Training in einem Fitnessstudio kann als Ursache ausgeschlossen werden. All diese Menschen wurden infiziert, weil entweder Besucher oder Pflegepersonal ihnen das Virus ins Heim gebracht haben. Tausende Menschenleben hätten also durch eine schlichte Maßnahme gerettet werden können: einen Schnelltest für jeden, der ein Heim betreten möchte.

Theoretisch gehört genau das seit Dezember zu den gesetzlichen Auflagen. Dass die Verpflichtung nicht eingehalten wurde, lag nicht an einem Mangel verfügbarer Tests. Es lag daran, dass das völlig überlastete Pflegepersonal es einfach nicht schafft, zusätzlich zu ihrer sonstigen Arbeit auch noch jeden Besucher zu testen. Dass das so ist, wusste man freilich auch im Dezember schon – oder hätte es zumindest wissen können.

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