Sahra Wagenknecht

Danke, Madiba

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen auf www.linksfraktion.de am 18.07.2013

18.07.2013

Nelson Rolihlahla Mandela wird 95 Jahre alt. Rolihlahla bedeutet in der südafrikanischen Sprache Xhosa" am Ast eines Baumes ziehen" oder Unruhestifter. Die Südafrikaner nennen Mandela auch zärtlich Madiba. Dies ist der Clan-Name des einstigen Hirtenjungen, der später der erste Präsident eines demokratischen Südafrikas wurde.

Wie schön wäre es, wir könnten Madiba schlichtweg "Happy Birthday" wünschen. Er wurde in den vergangenen Tagen jedoch wegen einer Lungenentzündung künstlich beatmet. Mittlerweile heißt es, sein Zustand habe sich stabilisiert. Ich wünsche ihm daher vor allem, dass er frei von Schmerzen ist.

Mehr als 27 Jahre verbrachte Mandela, die Ikone des Widerstands gegen das System der "Rassentrennung" (Apartheid), im Gefängnis. Seine Erkrankung geht auf eine Lungentuberkulose während der Haft zurück. Eine vorzeitige Entlassung, gegen die Zusage, den bewaffneten Kampf gegen das Apartheid-Regime einzustellen, lehnte Mandela ab. Einen seiner Söhne, der 1969 bei einem Autounfall ums Leben kam, durfte er nicht einmal beerdigen. Den Moment, als Mandela das Gefängnis im Februar 1990 endlich, bereits als alter Mann, verlassen konnte, werde ich nie vergessen. Die Größe Mandelas zeigte sich, als er nach Jahrzehnten im Gefängnis und dennoch frei von Verbitterung die Südafrikaner zur Versöhnung aufrief.

Das rassistische Apartheidsystem hinterließ millionenfaches Elend: Schwarze Südafrikaner waren aus ihren Häusern vertrieben und in Townships gepfercht worden. Sie hatten wie Sklaven in den Goldminen, auf den Farmen oder als Haushaltshilfe weißer Familien schuften müssen. Die weiße Oberschicht tanzte zu Pata Pata, dem international gefeierten Song der südafrikanischen Sängerin Miriam Makeba, aber der Staat zensierte ihre Lieder, die zum Widerstand gegen das Apartheid-Regime aufriefen. Im Kapstädter Groote Schuur Krankenhaus wurde 1967 die erste erfolgreiche Herztransplantation an einem Menschen vorgenommen, aber südafrikanische Krankenhäuser verweigerten oft selbst Bluttransfusionen zwischen Weißen und Schwarzen. Liebe und Heirat zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe war verboten. Eine weiße Minderheit dominierte Politik, Wirtschaft und Kultur und unterdrückte jeden Widerstand brutal.

Viele westliche Staaten entzogen dem Apartheid-Regime erst unter öffentlichem Druck ihre Unterstützung, als Schüler 1976 im Township Soweto aufbegehrten und die Regierung ein Blutbad an wehrlosen Kindern verübte. Die Deutsche Bank machte glänzende Geschäfte mit dem rassistischen Regime. Der CSU-Politiker Franz Josef Strauß sprach sich noch kurz vor dem Ende der Apartheid gegen das allgemeine Wahlrecht in Südafrika aus. Mandela sowie der African National Congress (ANC) galten als Terroristen, nicht als Freiheitskämpfer.

Doch das Ende der Apartheid bedeutete nicht ein Ende der Probleme für Südafrika. Mandela übernahm 1994 die Präsidentschaft in einem gespaltenen Land. Der Sicherheitsapparat des alten Establishments versuchte weiterhin, einen Bürgerkrieg in den Townships anzuheizen. Mandelas politische Leistung muss daher an diesen schwierigen Realitäten gemessen werden.

Unter internationalem Druck setzte Südafrika auf eine Politik im Interesse der großen Konzerne, internationaler Investoren und Banken. Drängende Probleme von Millionen Südafrikanern blieben daher ungelöst: Später bezeichnete Mandela selbst die Vernachlässigung des Kampfes gegen HIV/Aids, der große staatliche Investitionen in den Gesundheitssektor erfordert hätte, als eines seiner größten Versäumnisse. Der soziale Aufstieg blieb bisher auch unter dem ANC zu Wenigen vorbehalten. Bis heute ist Südafrika eines der Länder mit der höchsten sozialen Ungleichheit in der Welt. Die (inoffizielle) Arbeitslosenrate beträgt um die 40 Prozent, etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind HIV-positiv, Armut, Kriminalität und Gewalt sind nach wie vor bittere Realität.

Mandelas Leben bleibt daher vor allem Inspiration und Verpflichtung. DIE LINKE wird sein Erbe bewahren und den Kampf gegen Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und Unterdrückung niemals aufgeben. Danke, Madiba.

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