Links statt lasch

Gastkommentar von Sahra Wagenknecht: Zum Programmkonvent der Linkspartei, erschienen in der "jungen Welt" am 06.11.2010

06.11.2010



Am Sonntag tagt der Programmkonvent der Partei Die Linke in Hannover. Wie groß das Interesse an der Entwicklung ist, die die Partei nimmt, zeigt sich auch an den mehr als 900 Anmeldungen. Dabei gewinnen die innerparteilichen Auseinandersetzungen um den Programm­entwurf an Schärfe. Bereits seit Vorlage des Textes im Frühjahr durch Oskar Lafontaine und Lothar Bisky arbeiten die sogenannten Reformer daran, ihn mieszumachen und die Vorlage eines komplett neuen Entwurfs zu fordern. Ihnen ist offenbar ein Dorn im Auge, daß der Programmentwurf ein klares Profil hat. Daß deutlich benannt wird, was Die Linke will, und auch, was nicht.

Dies heißt nicht, daß es keinen Verbesserungsbedarf gäbe. Es ist gut und richtig, daß der vorgelegte Entwurf breit diskutiert, daß er ergänzt und präzisiert wird. Das geschieht derzeit. Es liegen bereits Hunderte von Zuschriften und Stellungnahmen vor. Entgegen dem Eindruck, der gerne in den Medien erweckt wird, sind die Rückmeldungen von der Basis der Linken– und um diese geht es schließlich beim Programm – vor allem eines: positiv. Denn bei allen noch vorhandenen Unzulänglichkeiten, das Entscheidende am Programmentwurf stimmt: die Grundrichtung!

Der Entwurf läßt keinen Zweifel, daß Die Linke sich nicht in das neoliberale Parteieinerlei einreiht, sondern klare Prinzipien hat und zu ihnen auch steht. Der Entwurf formuliert die Notwendigkeit einer anderen Wirtschafts- und Eigentums­ordnung, er fordert die Vergesellschaftung von Schlüsselbereichen der Wirtschaft und setzt die Frage einer sozialistischen Perspektive auf die Tagesordnung. Er lehnt Militäreinsätze konsequent ab und zeichnet klare Haltelinien, was eine mögliche Regierungsbeteiligung betrifft: keine Sozialkürzungen und Privatisierungen und kein Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst.

Und genau das ist es, was den sogenannten Reformern ein Dorn im Auge zu sein scheint. Offenbar fürchten sie, daß daran eine Regierungsbeteiligung scheitern könnte. Das Programm, das ihnen vorschwebt, soll nicht der eigenen Positionsbestimmung als eigenständige und unverwechselbare linke Kraft dienen, sondern – selbst unter In­kaufnahme eines Identitätsverlustes– die nötige Flexibilität aufweisen, um sich alle Türen offenzuhalten. Sie wollen ein Programm, das nicht links ist, sondern lasch, also möglichst unkonkret und unverbindlich.

Dies gilt es zu verhindern. Denn: Die Daseinsberechtigung der Linken ist untrennbar mit ihrem klaren Profil verbunden! Wenn etwas überflüssig ist in der Parteienlandschaft, ist es eine weitere Partei, die für ein paar Minister- und Staatssekretärsposten ihre Seele verkauft und vor den Wirtschaftsmächtigen kuscht. Jedoch auch der Gegenschluß gilt: Was heute dringender denn je gebraucht wird, ist eine antikapitalistische Kraft, die sich nicht willfährig dem Mainstream anpaßt, sondern Alternativen populär macht und die Menschen zur Gegenwehr ermutigt.