Sahra Wagenknecht

"Die NRW-Linke würde sich nicht verweigern"

Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen in "junge Welt" vom 11.05.2010

12.05.2010

Sahra Wagenknecht, designierte stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke, wurde über die nordrhein-westfälische Landesliste in den Bundestag gewählt. Sie ist wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

Ihre Partei ist mit 5,6 Prozent der Wählerstimmen knapp in den Landtag gekommen, immerhin. Viele hatten aber ein besseres Ergebnis erwartet, Sie auch?
Das ist ein sehr gutes Ergebnis, überhaupt nicht knapp. Wir müssen ja auch berücksichtigen, daß sich alle anderen Parteien auf uns eingeschossen hatten. Sie wollten uns aus dem Landtag heraushalten. An dieser Kampagne haben natürlich auch die Medien mitgewirkt, zumindest die großen wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Bei einem solchen Gegenwind kann sich unser Ergebnis durchaus sehen lassen.

Gab es überhaupt Medien, die fair berichtet haben?
Ich kann jetzt nicht über einzelne Lokalredaktionen reden. Aus eigenen Veranstaltungen weiß ich, daß es hier und da auch faire Berichte gab. Aber insgesamt war das eine üble Kampagne, mit der die Linken als Chaoten, Spinner, Radikalinskis und was weiß ich noch dargestellt wurden. Darüber, was wir politisch wollen, wurde leider kaum berichtet.

Im Landtag gibt es jetzt eine Mehrheit links von CDU und FDP, eine »linke Mehrheit« also, wie es in bürgerlichen Zeitungen heißt. Die Linkspartei steckt plötzlich in der Zwickmühle: Entweder sie macht Zugeständnisse, um mit SPD und Grünen zusammenarbeiten zu können– oder sie ermöglicht eine große Koalition aus CDU und SPD. Ist das nicht eine ungemütliche Situation, plötzlich Zünglein an der Waage sein zu müssen?
Theoretisch gibt es in der Tat eine Mehrheit, die vieles aus unserem Wahlprogramm umsetzen könnte – einiges davon fordert ja auch die SPD. Wir werden also sehen, ob Hannelore Kraft ihre Wahlversprechen ernst nimmt. Wenn sie allerdings – wie bei der SPD bisher üblich – jetzt Politik gegen die eigenen Wähler machen will, kann sie wunderbar mit der CDU ins Bett steigen. Für ein solches Vorgehen stehen wir nicht zur Verfügung.

Vor der Wahl gab es aus dem Linke-Landesvorstand deutliche Signale, daß man auch zur Übernahme von Regierungsverantwortung bereit sei. Wie stehen Sie dazu?
Wenn es wirklich zu einem grundlegenden Politikwechsel kommt, wird sich die Linke nicht verweigern. Das muß aber an klare inhaltliche Bedingungen geknüpft werden – dazu steht ja einiges in unserem Wahlprogramm. In meinem Landesverband ist es unumstritten, daß wir uns an keiner Regierung beteiligen, die Sozialabbau und Privatisierung betreibt sowie Einschnitte im öffentlichen Dienst durchsetzt. Weitere Essentials sind die Abschaffung von Studiengebühren und das gemeinsame Lernen bis zur 10. Klasse.

Ein Argument für die angebliche Regierungsunfähigkeit der Linkspartei in NRW von ihren Gegnern war, daß sie kein geeignetes Personal dazu habe. Sehen Sie das anders?
Das sehe ich anders, wir haben sehr qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten dafür. Aber wir sind ja eine relativ neue Partei. Viele unserer Leute sind noch nicht so bekannt, was auch völlig normal ist, wenn man vorwiegend außerparlamentarisch arbeitet. Am Personal der Linken würde eine Regierung sicher nicht scheitern.

Vor der Abstimmung gab es vor allem aus Ostdeutschland giftige Reaktionen auf das Wahlprogramm der NRW-Linken. Es sei zu radikal, hieß es. Auch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch distanzierte sich davon. Nun ist der NRW-Landesverband eher links angesiedelt – hat sich jetzt auch sein politischer Einfluß in der Gesamtpartei vergrößert?
Das ganze Gerede ist völlig absurd, das Programm sei zu links. Wir haben klare und realistische Forderungen. Natürlich kann man die Energiekonzerne E.on und RWE vergesellschaften, wenn man die Strompreise in den Griff bekommen will. Natürlich kann man auch unser Zukunftsprogramm durchsetzen – also mehr öffentliche Beschäftigung, vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Im Gegenteil: Das, was oft als »pragmatisch« gelobt wird, ist insofern unrealistisch, als es die eigenen Wähler vertreibt. Das haben wir in einigen Bundesländern gerade auch im Osten selbst erlebt. Insoweit denke ich, daß diese konsequenten Positionen, die auch im Entwurf des Grundsatzprogramms der Partei enthalten sind, den Kurs der Linken prägen.