Müllhalden für Giftpapiere/Bis zum nächsten Crash

Zweiteiliger Artikel von Sahra Wagenknecht über Bad Banks, erschienen in der Zeitung "junge welt" vom 24.10.2009 und 26.10.2009

26.10.2009

Bad Banks: Wie der Staat maroden Kreditinstituten aufhilft – und wer die Zeche zahlt (Teil I)

Es scheint kurios: Nach Monaten mühsamer Lobbyarbeit, viel Geschrei und zermürbendem politischen Gezerre bekommen die Banken endlich ihre staatlich garantierte Bad Bank, auf deren weiten Halden sie ihre Schrottpapiere entsorgen können. Aber statt das großzügige Angebot des Steuerzahlers (der freilich bei dem ganzen Geschäft am wenigsten mitzureden hatte) anzunehmen, bleiben die Finanzhäuser auf ihren giftigen Portfolios hocken wie gluckende Hennen noch auf dem häßlichsten Ei. Einzig die WestLB hat bisher ausdrücklich Interesse signalisiert, toxische Papiere unter den gegebenen Konditionen in eine Bad Bank auszulagern. Auch bei der Hypo Real Estate (HRE) gäbe es Interesse, heißt es. Nun ja, die WestLB und die HRE – wenn es in diesem Land zwei Banken gibt, die wirklich gar nichts mehr zu verlieren haben, dann sind das diese beiden. Zumal sie sich beide heute ohnehin in öffentlicher Hand befinden, der Staat also ihre Verluste sowieso am Hals hat, ob mit oder ohne Bad Bank.

War das die jahrelange Mühe wert, die der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in das Projekt einer staatlichen Finanzmüllhalde investiert hat? Zum ersten Mal ins Gespräch gebracht hatte er die Gründung einer solchen Bad Bank immerhin bereits in Schröders Rotweinrunde kurz nach der Jahrtausendwende. Damals war gerade die New-Economy-Blase geplatzt, und nicht wenige Banken hatten akute Probleme. Die verringerten sich dann dank der nächsten Finanzblase, die sich am Markt für strukturierte Kreditverbriefungen aufzublähen begann und die auch den Börsen zu ungeahnten neuen Rekordständen verhalf. So wurde es über mehrere Jahre ruhig um Ackermanns Idee. Der Deutschbanker selbst vergaß sie aber keineswegs, und kaum hatte die Finanzkrise erneut – und diesmal richtig – zugeschlagen, packte er seinen Vorschlag wieder auf den Tisch.

Kaum einer kommt

Seine Gegenüber hießen jetzt Merkel und Steinbrück, doch auch deren Begeisterung hielt sich zunächst in Grenzen. Noch im Januar 2009 etwa tönte Steinbrück laut und unerschütterlich: »Ich bleibe dabei: Es wird eine nationale Bad Bank nicht geben.« (FTD, 23.1.2009). Zur Begründung führte er an, daß eine solche Lösung den Steuerzahler in einer Größenordnung von 150 bis 200 Milliarden Euro belasten würde. Nun kann man dem SPD-Finanzminister sicherlich keine Skrupel nachsagen, wenn es darum geht, Steuergeld in maroden Banken zu versenken, doch zumindest im Wahljahr schien ihm ein solches Projekt offenbar nicht ratsam zu sein. Aber Ackermann blieb hart, und schließlich saß auch Steinbrück im Boot.

Im Februar legte der Bundesverband deutscher Banken (BdB), der die privaten deutschen Großbanken vertritt, der Bundesregierung ein konkretes Konzept für eine staatliche Bad Bank vor, wobei der unpopuläre Name pietätvoll vermieden wurde. Das Konzept sah vor, daß eine neue Einheit beim Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin eingerichtet wird, bei der jede Bank bis zu einer gewissen Grenze risikobehaftete Vermögenswerte abliefern kann. Die Übertragung sollte zu den Buchwerten erfolgen, die am 31. Dezember 2008 galten und deutlich über den aktuellen Marktwerten dieser Papiere lagen. Im Gegenzug sollten die Institute variabel verzinste Anleihen mit Staatsgarantie erhalten und für diese Garantie eine Gebühr an den Bund zahlen. Verluste nach Ablauf oder Verkauf der Papiere – der BdB setzte dafür eine Frist von zehn Jahren an – sollte nach Möglichkeit die Bank tragen, aus deren Kellern die betreffenden Papiere stammten. Falls die Bank nicht in der Lage wäre, sollte der Staat die Ausfälle schultern. Großzügig erklärte der BdB, das Modell solle durchaus auch für Landesbanken und Sparkassen offen sein. Zumindest bei letzteren, die sich seit jeher mit deutlich niedrigeren Renditen zufriedengeben als die Ackermänner und Co. und daher auch weit weniger toxische Papiere in ihren Portfolios haben, stieß der Vorschlag nicht auf Gegenliebe. »Wie die Risikoverteilung am Ende aussehen soll, bleibt leider im ungewissen«, vermerkte der Sparkassenverband DSGV kritisch (Handelsblatt, 18.2.2009).

Dennoch entspricht das deutsche Bad-Bank-Modell, das im Mai festgezurrt und mit der Europäischen Kommission abgestimmt wurde, in seinen Grundzügen weitgehend dem Vorschlag des Bundesverbandes deutscher Banken. Am 23. Juli 2009 trat das entsprechende Gesetz in Kraft. Seither warten die Beamten, die den 480 Milliarden Euro schweren Sonderfonds zur Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) verwalten, auf Anträge glücklicher Banker, die das Erbe ihrer mißglückten Spekulationsgeschäfte loswerden wollen. Aber kaum einer kommt vorbei, um seinen Müll abzukippen. Und das, obwohl die Zeit knapp wird. Wer mitmachen will, muß nach derzeitigem Stand bis Ende Januar 2010 beim SoFFin einen Antrag stellen.

Überrascht über das fehlende Interesse zeigte sich dieser Tage auch der Chef des SoFFin Hannes Rehm und kündigte an, der Sonderfonds werde seine Informationsarbeit verstärken. Haben die Banker die Einrichtung der komfortablen Finanzmülldeponie einfach nur verschlafen? Oder war das Gerede von den milliardenschweren Giftpapieren nur Panikmache? Haben die Finanzhäuser vielleicht längst abgeschrieben, was abzuschreiben war, und brauchen die Staatshilfe gar nicht mehr? Oder sind am Ende nur die Müllgebühren zu hoch und man vergräbt den Schrott deshalb lieber weiter im undurchsichtigen Unterholz der eigenen Bilanzen?

Verluste auslagern

Bevor wir uns mit diesen Fragen befassen, scheint es ratsam, einen genaueren Blick auf die Finessen und die geplante Funktionsweise des deutschen Bad-Bank-Modells zu werfen. Was ist eine Bad Bank? Im allgemeinen einfach eine Institution, in die eine Bank das auslagern kann, was ihr Probleme macht und was sie gern loswerden möchte. Papiere zweifelhaften Werts, Kredite, die entweder schon faul sind oder es mit hoher Wahrscheinlichkeit werden, möglicherweise auch ganze Geschäftsbereiche, die man nicht fortführen, sondern verkaufen oder abwickeln will. Private Bad Banks einzelner Banken hat es immer wieder gegeben. Sie dienen der Bilanzordnung und besseren Übersicht. Verluste wird die Bank dadurch nicht los, aber sie spuken nicht mehr in die »guten« Geschäftsbereiche hinein und untergraben dort die Ergebnisse. Eine Abwicklungseinheit mit dem Charakter einer internen »Bad Bank« hatte sich beispielsweise die Dresdner Bank 2002 zugelegt, um die Folgen des vorangegangenen Finanzcrashs zu bewältigen. Vermögenswerte über insgesamt 35 Milliarden Euro hatte sie auf diese Einheit mit dem Namen IRU übertragen, die innerhalb von vier Jahren abgewickelt und liquidiert wurden. Natürlich mit Verlust, den die Dresdner dann auch verbuchen mußte. Eine externe Bad Bank gründete vor sechs Jahren die HypoVer­einsbank (HVB), um sich für die Übernahme durch die italienische Großbank Unicredito schmuck zu machen: diese Bad Bank war die Hypo Real Estate. Auf letztere übertrug die HVB unter anderem zweifelhafte Immobilienkredite, die in der Goldgräberstimmung der Nachwendejahre gen Osten geflossen waren und in der Regel auf weit überhöhten Immobilienwerten beruhten. Die HRE wurde im März 2003 an die Börse gebracht. Ganz los war die HVB das Risiko dadurch allerdings nicht, weil sie über einen Zeitraum von fünf Jahren Garantien für mögliche Verluste übernehmen mußte. Aber im nachhinein fügte sich – für die Bank! – doch alles zum besten, weil der Staat das Milliardengrab in der HRE erst in dem Moment entdeckte oder entdeckt haben will, als die Haftung der HVB und damit der Unicredito abgelaufen war.

Dramatische Situation

Eine private Bad Bank ist also eigentlich eine Sache, die nur die Bank betrifft, die sie einrichtet, und nicht den Steuerzahler. Wobei das Beispiel Hypo Real Estate zeigt, daß eine solche scheinbar privatwirtschaftliche Lösung sehr schnell zu einer teuren öffentlichen Angelegenheit werden kann. Aber auf das Thema HRE kommen wir später noch. Bei der von Ackermann und dem BdB geforderten Bad Bank hingegen ging es von vornherein um eine staatlich organisierte Finanzmüllhalde, die die Bilanzen der Banken entlasten und nicht nur neu ordnen sollte. Das ausdrückliche Ziel war, ihnen die aus milliardenschweren Schrottpapieren resultierenden Risiken abzunehmen und so ihr Eigenkapital zu stabilisieren.

Die Angaben über die Größenordnung des in deutschen Bankbilanzen versteckten Giftmülls schwanken. Für die globale Finanzwelt prognostizierte der Internationale Währungsfonds (IWF) im Frühjahr 2009 einen immer noch ausstehenden Abschreibungsbedarf von 4,1 Billionen Dollar. 2,7 Billionen davon erwartete der IWF in den USA, 1,4 Billionen fallen nach seiner Schätzung in Europa und Japan an. Zu dem Zeitpunkt hatten die Banken weltweit schon über eine Billion Dollar abgeschrieben. Der größte Teil der bereits verbuchten und auch der noch ausstehenden Verluste resultiert aus strukturierten Kreditpapieren, in die zweifelhafte Hausdarlehen oder Konsumentenkredite an einkommensarme US-Familien ebenso verpackt wurden wie die Milliardenkredite, die über Jahre die Freßzüge der Private-Equity-Heuschrecken gesponsert haben. In zunehmendem Ausmaß notleidend werden im Verlaufe der Krise allerdings auch »normale« Kredite, wenn vorher stabile Unternehmen aufgrund wegbrechender Umsätze in die Insolvenz taumeln oder Haushalte der früheren Mittelschicht durch Arbeitslosigkeit und Lohndrückerei verarmen.

Laut Financial Times Deutschland vom April werden die Problemaktiva deutscher Banken auf etwa 800 Milliarden Euro geschätzt (FTD, 23.4.2009). Das ist annähernd das Doppelte des Eigenkapitals aller deutschen Institute, das die Bundesbank auf 450 Milliarden Euro beziffert. Allein diese zwei Zahlen signalisieren die Dramatik der Situation. Wenn die Hälfte der Problemaktiva notleidend würde, wäre das deutsche Finanzsystem vollständig bankrott und keinen müden Cent mehr wert. Zum Umfang toxischer Wertpapiere in deutschen Banktresoren gibt es Angaben zwischen 300 und 600 Milliarden Euro. Diese Zahlen sind natürlich Schätzungen, denn aufgrund dessen, wie diese Papiere entstanden sind (in ihnen wurden Kredite unterschiedlicher Risikoklassen zusammengepackt und dann wiederum verschiedene Tranchen mit unterschiedlichem Ausfallrisiko emittiert) und wie sie gehandelt werden (over-the-counter, also direkt von Bank zu Bank) weiß eben niemand Genaues. Und die, die es wissen könnten und sollten, zumindest für das eigene Institut, halten selbstverständlich den Mund.

Teufelsspirale

Es waren vor allem diese strukturierten Kreditpapiere, die seit Beginn der aktuellen Finanzmarktkrise dramatisch an Wert verloren haben. Lange Zeit waren sie schlicht unverkäuflich. Die Banken waren daher gezwungen, sie immer wieder neu zu bewerten und schrittweise abzuschreiben. Dieser Prozeß wiederum reduziert das Eigenkapital einer Bank und verlangt Rückstellungen für die Zukunft, die auf die Gewinne drücken beziehungsweise die Verluste erhöhen. Schmilzt das Eigenkapital und neues ist nicht zu bekommen, muß die betreffende Bank ihre Geschäftstätigkeit einschränken. Vor allem kann sie dann weniger Kredite vergeben, denn jeder Kredit muß zu einem vorgeschriebenen Prozentsatz mit Eigenkapital unterlegt werden. Weniger Eigenkapital heißt damit auch: weniger Kreditspielraum. Kreditverknappung wiederum beschleunigt den wirtschaftlichen Niedergang. Wenn Unternehmen in der Krise nicht nur der Absatz, sondern auch noch die Refinanzierung ihrer Kredite wegbricht oder letztere sich extrem verteuert, dann gehen die Lichter in den Werkhallen noch schneller aus. Und damit steigt am Ende natürlich auch das Volumen der faulen Kredite, die den Banken die Bilanz verhageln. Also weitere Abschreibungen, noch schlechtere Eigenkapitalausstattung, weitere Kreditverknappung. Eine Teufelsspirale.

Hier ist der Punkt, an dem die Banken die Allgemeinheit in Haftung nehmen: Eine ordentliche Kreditversorgung sei immerhin im öffentlichen Interesse, also könne der Staat sie nicht mit ihren Schrottpapieren allein lassen. Egal, wer dafür verantwortlich ist, daß derlei Papiere überhaupt geschaffen, gehandelt und eingekauft wurden – jetzt müssen sie aus den Bilanzen verschwinden, wenn das Kreditsystem wieder funktionieren soll. Aus dem gleichen Grund also, aus dem strauchelnde Banken mit öffentlichen Mitteln gestützt werden, soll die öffentliche Hand sich gefälligst auch dafür verantwortlich fühlen, den Banken ihren selbstproduzierten Finanzmüll wieder abzunehmen.

Das ist der Grundgedanke, der hinter dem Plan einer staatlichen Bad Bank steckt: Wenn der Staat den Banken die giftigen Papiere zu Preisen abkauft, die weit über dem aktuellen Marktwert liegen, hat der Steuerzahler die Verluste am Hals, und die Banken sind sie los. Sie hätten dann keinerlei Abschreibungsbedarf mehr, könnten also wieder Gewinne machen, Dividenden ausschütten, Boni bezahlen, die nächste Finanzblase ins Leben rufen und dem Fernsehzuschauer mit strahlenden Ackermännern in Siegerpose die Laune verderben. Der einzige Haken an diesem Projekt: Es ist politisch schlecht vermittelbar. Selbst der perfektesten Manipulationsmaschinerie der Medien dürfte es schwerfallen, Otto Normalverbraucher davon zu überzeugen, daß er den finanziellen Sondermüll der Banker auf seine Kappe nehmen und bezahlen soll, während diese und ihre Anleger weiter Geld in Größenordnungen scheffeln, für die sein Vorstellungsvermögen kaum ausreicht. Bei den in IKB, Commerzbank und HRE versenkten Steuermilliarden konnte (und kann) immerhin noch gesagt werden, es handele sich um Notmaßnahmen, um den Zusammenbruch dieser Institute zu verhindern, was wiederum für ein Überleben des fragilen globalen Finanzgebäudes unabdingbar gewesen sei. Natürlich war auch das eine Lüge, aber sie war weniger leicht durchschaubar. Die Legende hingegen, daß der Fortgang des Wirtschaftslebens daran hängen soll, daß der Steuerzahler Banken, die schon wieder Boni verteilen und Dividenden ausschütten, Milliardenverluste abnimmt, läßt sich kaum verkaufen.

Ein schönes Geschäft

Weil Merkel und Steinbrück sich zudem wenige Monate vor der Bundestagswahl befanden, als sie die Bad Bank auf Druck der Bankerlobby konzipieren mußten, wurde das ganze Konstrukt etwas komplizierter und für die Banken vielleicht auch etwas teurer, als sie es sich gewünscht hatten. Tatsächlich wird den Banken mit dem Gesetz vom Juli die Möglichkeit eröffnet, toxische Papiere zu einem Wert, der deutlich über dem aktuellen Marktwert liegt, auf eine beim SoFFin angesiedelte Zweckgesellschaft zu übertragen. Stichtag zur Bewertung der Papiere sollte ursprünglich der März 2009 sein, damit wären die Banken mit der Bad Bank lediglich vor weiterem Wertverfall geschützt worden. Infolge eindringlicher Lobbyarbeit wurde der Stichtag zur Bewertung der Papiere dann allerdings auf den Juni 2008 vorverlegt, also noch früher, als der BdB es vorgesehen hatte. Und damit zu noch höheren Preisen, denn der Lehman-Crash, der einen massiven Wertverfall ausgelöst hatte, war im September 2008. Von den Juni-Werten gibt es dann lediglich einen Abschlag von zehn Prozent. In Höhe dieses fiktiven Wertes erhält die Bank von der Zweckgesellschaft eine verzinsliche Anleihe. Auf der Aktivseite der Bankbilanz würden also die Schrottpapiere verschwinden und durch die Anleihe ersetzt werden. Das brächte als solches noch kaum Erleichterung, denn die Zweckgesellschaft, die die Anleihe ausgibt, besitzt ja keine Werte als eben jene zweifelhaften Papiere. Wenn deren Einnahmen ausbleiben, können auch die Zinsen und Tilgungen der Anleihe nicht mehr bedient werden. Daher tritt jetzt der Staat auf den Plan und garantiert Zins und Tilgung der Anleihe. Dadurch hat die Bank ein dubioses Wertpapier durch ein sicheres ersetzt. Das hat zwei Vorteile: Erstens braucht diese Anleihe nur mit wenig oder vielleicht sogar gar keinem Eigenkapital unterlegt zu werden, denn weil der deutsche Staat dafür haftet, sollte sie als ebenso sicher gelten wie Staatsanleihen. Und zweitens kann die Anleihe bei der EZB eingereicht werden, um sich für ein Prozent Zinsen Liquidität zu beschaffen, die die Bank dann beispielsweise in einem Dispokredit für 14 Prozent Zinsen weiterverleihen kann. Ein schönes Geschäft.

Freilich muß die Bank für die Garantieleistung des Staates eine Gebühr zahlen, das hatte auch der BdB vorgesehen. Sie ist also nicht ganz kostenlos. Außerdem wird für die Giftpapiere auf ziemlich komplizierte und nicht ganz geklärte Weise ein sogenannter Fundamentalwert ermittelt, und die Banken müssen über zwanzig Jahre lang die Differenz zwischen dem Buchwert und dem Fundamentalwert zu Lasten ihrer Dividenden abstottern. Liegt der tatsächliche Verkaufswert der Papiere nach 20 Jahren noch unter dem Fundamentalwert, sollen die Alteigentümer der Bank haften.

Das jährliche Abstottern der Verluste ist einer der wenigen Punkte, in dem sich das letztlich in Gesetzesform gegossene Modell von dem des Bundesverbandes deutscher Banken unterscheidet. Hier war vorgesehen, daß die betreffenden Banken Rückstellungen bilden, und erst nach zehn Jahren die Differenz zwischen dem fiktiven und dem dann realen Wert der Papiere gegenüber dem SoFFin ausgleichen.

Ungewisse Aussichten

Der Unterschied ist nicht unerheblich, zumal in der quartalsbezogenen Denkweise rendite­orientierter Bankmanager und ihrer Aktionäre. Denn wie hoch die Rückstellungen sind, die sie selbst bilden, entscheiden letztlich die Banker. Der Anreiz ist natürlich groß, völlig unzureichende Rückstellungen zu bilden und statt dessen fröhlich Dividenden auszuschütten; denn kann die Bank nach zehn Jahren nicht zahlen, hängt der ganze Verlust am Steuerzahler. Nach dem tatsächlich beschlossenen Bad-Bank-Konzept dagegen wird in jedem Jahr die Dividende durch das Abstottern der Verluste der alten Schrottpapiere geschmälert. Das ist lästig, zumal die Banker doch eigentlich Steuergeld zum Nulltarif gewohnt sind.

Das bedeutet nun keineswegs, daß die Bad Bank aus dem Hause Merkel/Steinbrück den Steuerzahler nicht trotzdem teuer zu stehen kommen könnte. Wer am Ende auf welchen Kosten sitzen bleibt, hängt vielmehr von einer Reihe von Faktoren ab. Vor allem davon, wie hoch der tatsächliche Wert der toxischen Papiere ist: also wie viele der Kredite, die in ihnen verpackt sind, gar nicht faul werden, sondern brav die vorgesehenen Zinsen und Tilgungen einbringen. Wenn die Theorie stimmt, daß die Kreditverbriefungen und -derivate seit Ausbruch der Finanzkrise viel niedriger bewertet werden, als es ihrem realen Wert entspricht, also der Abschlag höher ist als der Umfang der irgendwann notleidenden Kredite, dann werden sie die Zinsen und Tilgungen der staatlich garantierten Anleihe weitgehend einspielen und sich irgendwann auch im Preis erholen. Damit könnte die Bad Bank für den Steuerzahler sogar zu einem Gewinngeschäft werden, denn er läßt sich eine Garantie bezahlen, die gar nicht fällig wird. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, daß es so kommt. Wenn der Fundamentalwert der Papiere hingegen tatsächlich so schlecht ist wie ihr aktueller Marktwert oder womöglich noch viel schlechter, dann hängt die Frage, auf wieviel der Staat am Ende sitzen bleibt, von der Gewinnsituation und Solvenz der betreffenden Banken in den nächsten zwanzig Jahren ab. Macht die Bank Gewinn, wird die öffentliche Hand vor den Aktionären bedient. Macht sie keinen, steht der Steuerzahler für Zins und Tilgung der Anleihe ein; und verfügt die Bank am Ende über zu wenig Eigenkapital, um die Verluste auszugleichen, hat einzig der Staat den ganzen Salat am Hals. Allein die Bad Bank der HRE wird uns also noch viel Vergnügen bereiten.

Bad Banks: Wie der Staat maroden Kreditinstituten aufhilft – und wer die Zeche zahlt (Teil II und Schluß)

Das Bad-Bank-Modell der Bundesregierung ist also, wie im ersten Teil dieses Beitrags gezeigt, ein Projekt, mit dem die Verluste der Banken sozialisiert werden sollen. Allerdings sind ihre künftigen Gewinne dabei nicht völlig aus dem Spiel, und deshalb lohnt sich die Teilnahme vor allem für Banken, die auf absehbare Zeit keine Gewinne machen werden. Die WestLB und die Hypo Real Estate sind solche Fälle. Wer dagegen wie die Deutsche Bank schon wieder richtig Profit macht oder wie die Commerzbank solchen zumindest bald wieder in Aussicht stellt, fährt besser damit, die Giftpapiere vorerst im eigenen Keller zu verstecken. Da sieht sie immerhin keiner und niemand weiß, wie viele es sind und wie es um ihren wahren Wert bestellt ist. Diese wohlgehüteten Geschäftsgeheimnisse würden mit der Bad Bank zweifellos ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt, und da die betreffende Bank weiter für die Verluste in Haftung steht, dürfte das dem Aktienkurs erheblich schaden. Ins Korsett der staatlich organisierten Bad Bank wird sich daher auch in Zukunft nur begeben, wer wirklich nicht anders kann.

Wenig einladend ist sicher auch, daß eine Reihe technischer Details noch ungelöst sind. Beispielsweise zieren sich die Ratingagenturen bisher, dem Konstrukt ihre Bonitätsnote aufzudrücken. Davon hängt aber ab, ob die Banken die staatlich garantierte Anleihe tatsächlich wie Staatsanleihen behandeln dürfen oder ob sie nicht doch Eigenkapital dafür vorhalten müssen. Dieses Problem zeigt wieder einmal, wie absurd es ist, gesetzliche Vorschriften von den Launen privater Ratinginstitute abhängig zu machen.

Wichtiger aber dürfte sein, daß der Leidensdruck in den Banketagen zur Zeit einfach nicht groß genug ist. Denn die Marktbewertung der Giftpapiere geht aktuell eher nach oben denn nach unten. Freilich ist das kein Zeichen dafür, daß diese vielleicht gar nicht so faul sind. Wer einen Blick in die US-Statistiken wirft, kennt den Grad der Überschuldung amerikanischer Privathaushalte, die sinkende Löhne über mehr als ein Jahrzehnt durch immer höhere Kredite kompensiert haben. Im Ergebnis lastet heute ein Schuldenberg auf ihren Schultern, den sie selbst in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten kaum abtragen könnten. Auch kann niemand glauben, daß von Private-Equity-Haien überschuldete Unternehmen, deren Kapitaldecke schon für ruhige Zeiten unzureichend war, in großer Zahl die aktuelle Krise überleben.

Den Kopf wieder ganz oben

Daß Papiere, in denen all solche Kredite verpackt sind, dennoch vorübergehend im Wert steigen, ist schlicht Folge des institutionalisierten Irrsinns spekulativer Märkte: Auf solchen Märkten werden eben nicht »Fundamentalwerte« gehandelt, sondern gekauft wird, wenn es eine begründete Erwartung gibt, das Zeug teurer weiterverkaufen zu können. Und diese Erwartung gibt es derzeit, weil der amerikanische Staat riesige Summen in die Hand nimmt, um den Markt für strukturierte Kreditpapiere zu reanimieren. Bereits seit Monaten läuft ein Kaufprogramm der US-amerikanischen Zentralbank Fed, mit dem Hypothekenpapiere im Gesamtwert von 750 Milliarden Dollar vom Markt genommen werden sollen. Vor allem verbriefte Hypothekenkredite und Schuldpapiere der zwei größten US-Hypothekenfinanzierer Freddy Mac und Fannie Mae. Darüber hinaus bemüht sich US-Finanzminister Geithner, Geierfonds und Private-Equity-Heuschrecken durch staatliche Verlustgarantien zu motivieren, den Banken toxischen Finanzmüll abzukaufen. Auf diese Weise sollen die Banken um Giftpapiere im Wert von bis zu 1000 Milliarden Dollar erleichtert werden, wobei es in diesem Fall ausdrücklich nicht um Papiere von Fannie und Freddie geht, sondern um den richtigen Subprime-Schrott. Dieses Programm – das de facto die Funktion einer staatlichen Bad Bank erfüllt – soll allein im Oktober für eine Zusatznachfrage von 40 Milliarden Dollar auf dem betreffenden Markt gesorgt haben.

Nun sind 40 Milliarden natürlich nicht viel angesichts eines Marktvolumens von mehreren Billionen. Aber auf einem spekulativen Markt genügt die Nachricht, daß mit steigender Nachfrage für irgendein Produkt zu rechnen ist, um andere Akteure ebenfalls zum Kauf zu animieren. So potenziert sich die Nachfrage, und die Preise gehen hoch. Beispiele für dieses absurde Theater gibt es viele. Als etwa vor über vierzig Jahren US-Präsident Nixon eine Kehrtwende der amerikanischen China-Politik in Richtung Entspannung einleitete, begann in London plötzlich ein intensiver Handel mit Staatsschuldverschreibungen aus den Zeiten des chinesischen Kaiserreichs. Obwohl diese Papiere seit Jahrzehnten keinen Cent Einnahmen mehr brachten, begannen ihre Preise zu steigen. Natürlich erwartete niemand, daß China die Zahlungen für diese vergilbten Scheine je wieder aufnehmen könnte. Aber alle kalkulierten, daß bei einer Annäherung zwischen den USA und China solche Papiere wieder verstärkt nachgefragt würden, und genau deshalb wurden sie es. Wer ausstieg, bevor der Spuk platzte, konnte mit diesen wertlosen Papierfetzen einen schönen Gewinn machen. Ähnlich fundiert dürfte die aktuelle Erholung der toxischen Kreditpapiere sein.

Oder auch die der Bankaktien, die mit Wertsteigerungen von bis zu 1000 Prozent im zurückliegenden halben Jahr eine regelrechte Rallye hingelegt haben, obwohl keines der Finanzprobleme, die den Crash ausgelöst haben, auch nur annähernd gelöst ist. Die Giftdepots sind kaum zur Hälfte abgeschrieben, die Weltwirtschaftskrise wütet weiter. Aber die Finanzwerte florieren, und auch die Börsen insgesamt haben sich gegenüber ihren Tiefständen Anfang des Jahres deutlich erholt. Und da sie selbst mit genau diesem Finanzschaum herumwirbeln, machen nicht wenige Banken tatsächlich schon wieder Milliar­dengewinne. Ob Goldman Sachs, JP Morgan oder auch Deutsche Bank: Man trägt den Kopf wieder ganz oben. Und während mancher schwäbische Maschinenbauer verzweifelt um seine Kreditlinie ringt, können Private-Equity-Piraten neuerdings wieder auf günstige Finanzierungen bauen.

Neue Luftnummern

Wenn das Ziel darin bestand, die Finanzmärkte wieder in jene Spekulationslaune zu versetzen, die ihnen nach dem Lehman-Crash so gründlich vergangen war, dann waren die internationalen Bankenrettungsprogramme und die Flut billigen Geldes, mit denen die Zentralbanken die Märkte überschwemmten, bisher sehr erfolgreich. Einen Einblick in die Stimmungslage bot kürzlich die Financial Times Deutschland, die sich in einem Lokal nahe der Wall Street, das bevorzugt von Brokern und Investmentbankern der großen Finanzhäuser besucht wird, umgehört hat. Das Ergebnis liest sich dann so: »Hey, Leute, seien wir doch ehrlich: Vor ein paar Monaten dachten wir alle, wir sind am Ende, dann kamen die Milliarden vom Staat, und nun zocken viele von uns wieder so wie vor der Krise. (...) Wir sollen das nicht so sagen, ich weiß, das schärfen sie uns alle ein, unsere Chefs, unsere Imageberater. Weil so viele Leute noch immer wütend auf uns sind. (...) An manchen Tagen habe ich das Gefühl, wir sind wieder alle im Rausch.« Der das sagt, ist selbst Investmentbanker bei einer der großen US-Banken. Selbstverständlich sind die Bankprofite, die da eingefahren werden, von gleicher Qualität wie jene vor dem Crash: Scheingewinne, die auf Luftbuchungen in einem großen Schneeballsystem beruhen, in dem mehr oder minder dubiose Papiere hin- und hergeschoben und die Preise durch wachsenden Kredit nach oben geschraubt werden. Bis zum nächsten Zusammenbruch. Daß Banker und Fondsmanager sich um diese Perspektive nicht groß kümmern, ist aber nachvollziehbar. Denn erstens sind sie alle fixiert auf Quartalszahlen, und die kurzfristige Rendite ist das Maß ihres Erfolgs. Und zweitens haben zumindest die Banker heute eine staatliche Rückversicherung, die ihnen die Sicherheit gibt, nie wirklich tief zu fallen. Das gilt für die Bundesrepublik nicht weniger als für die USA. Ein Staat, der die winzige Mittelstandsbank IKB für »systemrelevant« erklärt, den Aktionären der unrettbar bankrotten HRE noch 160 Millionen Euro hinterherwirft und ihren Gläubigern viele Milliarden, von dem hat ein Banker wirklich nichts zu befürchten.

Für nichts als ein Lächeln

So erstaunlich ist das mangelnde Interesse deutscher Banken an der staatlich organisierten Bad Bank also gar nicht. Oder an den Garantien und Eigenkapitalhilfen des Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin, von dessen 480 Milliarden bisher weniger als die Hälfte abgerufen wurde. Die Commerzbank hat gerade zwei Drittel der ihr zur Verfügung gestellten staatlichen Garantien zurückgegeben. Denn die Garantien kosten Geld, ebenso wie die Nutzung der Bad Bank Geld kosten würde. Die faktische staatliche Rückversicherung dagegen haben die Banken gratis.

Nicht zu vergessen: Auch die Staatsknete für die real existierenden Bad Banks bekommen die Banken für nichts als ein Lächeln. Denn faktisch erfüllen nicht allein die mit US-amerikanischem Steuergeld gedopten Geierfonds, die die Banken von ihrem Finanzmüll befreien sollen, die Funktion einer staatlichen Bad Bank. Ähnlich segensreich für die anderen Banken ist auch die staatliche Rettung genau jener Institute, bei denen eigentlich nichts mehr zu retten ist. In den USA waren das der Versicherungskonzern AIG, der Anleihen und wacklige Kreditpapiere im Volumen von 441 Milliarden Dollar gegen Zahlungsausfall versichert hatte, und die Hypothekenriesen Fannie Mae und Freddie Mac. Allein die Rettungsaktion für AIG führte zu Überweisungen aus Steuergeld in Höhe von unglaublichen 93,2 Milliarden Dollar an die High Society der globalen Finanzwelt. Mit diesem Geld wurden aus Kreditderivaten resultierende Forderungen der Banken gegenüber AIG in voller Höhe abgegolten. Die Deutsche Bank erhielt aus diesem Topf 11,9 Milliarden Dollar, fast soviel wie die Investmentbank Goldman Sachs, die 12,9 Milliarden Dollar einsackte. Wäre der Staat nicht eingesprungen, hätten die Banken diese Forderungen abschreiben müssen, und dann könnten Aktionäre und Manager von den schönen Boni und Dividenden, die sie gegenwärtig schon wieder einstreichen, allenfalls träumen.

Staatsgeld zum Nulltarif

In Deutschland ist das Ganze ein paar Nummern kleiner, aber deshalb nicht weniger schlimm. Die erste Bad Bank, die mit etwa zehn Milliarden Euro Staatsgeld gerettet wurde, war die IKB. Daten zu den Profiteuren dieser Rettungsaktion sind bis heute nicht öffentlich zugänglich, aber es kann als sicher gelten, daß die Deutschbanker dabei in der ersten Reihe saßen. Immerhin verbanden Deutsche Bank und IKB engste Geschäftsbeziehungen: Die Deutsche hatte der IKB jahrelang die Geldhandelslinien zur Verfügung gestellt; sie war Treuhänder bei der Administration der dubiosen Zweckgesellschaft Rhineland sowie deren Liquiditätsgeber; außerdem kamen die bei Rhineland lagernden Giftpapiere zu großen Teilen aus dem Hause Ackermann. Daß aus derart intensiven geschäftlichen Kontakten auch hohe verbleibende Forderungen der Deutschen Bank resultierten, ist anzunehmen. Wäre die IKB in die Insolvenz geschickt worden, wo sie hingehörte, wäre dieses Geld futsch gewesen.

Die zweite Bad Bank, an deren Rettung der deutsche Staat wesentlich beteiligt war, ist die Dresdner Bank. Ohne den Steuergeldscheck in Höhe von 18,2 Milliarden Euro hätte die Commerzbank die Übernahme der Dresdner nicht stemmen können, und damit wäre die Allianz diesen Sauladen nicht für gutes Geld losgeworden. Hauptprofiteur war in diesem Fall also die Al­lianz-Versicherung, während der Staat jetzt die renitenten Londoner Investmentbanker der Dresdner und deren Spekulationsverluste am Hals hat. Auch ist es eine Legende, daß der Einstieg bei der Commerzbank für den Staat ein gutes Geschäft sei, weil die stille Einlage in Höhe von 16,4 Milliarden Euro (also der Teil der Eigenkapitalhilfe, der nicht zum Kauf von Aktien verwendet wurde) mit neun Prozent verzinst würde. Das wären in der Tat 1,4 Milliarden Euro Einnahmen fürs Staatssäckel pro Jahr. Bedauerlicherweise aber hat die Commerzbank bisher an den SoFFin genau 0,047 Milliarden abgeführt, Gebühren für die Garantien, die sie deshalb gerade gekündigt hat. Die stille Einlage wird erst verzinst, wenn die Commerzbank wieder Gewinne macht – bis dahin freilich ist das Staatsgeld zum Nulltarif und ohne Eigentumsrechte sehr angenehm.

Die dritte und größte Bad Bank, die der deutsche Steuerzahler aufgehalst bekam, ist natürlich die Hypo Real Estate. Hier geht es um zwei- bis dreistellige Milliardenbeträge, und zwar nicht so sehr für Kirchenkassen, Ärztekammern und Kommunen, wie immer wieder tränenreich versichert wurde, sondern für in- und ausländische Großbanken und Finanzanleger. Anders als bei der IKB ist die Liste der Gläubiger der HRE öffentlich bekannt geworden. Hier weiß der Steuerzahler also, wen er bezahlt. Ganz oben steht wieder mal die von Staatsknete ach so unabhängige Deutsche Bank, die in Form unbesicherter kurz- und mittelfristiger Schuldverschreibungen bei der HRE mindestens 2,5 Milliarden im Feuer hat. Auch die Allianz ist mit Milliardenbeträgen dabei. Insgesamt liegen die jetzt vom deutschen Staat zu bedienenden Forderungen privater deutscher Banken gegenüber der HRE bei 12,8 Mil­liarden Euro, die ausländischer Bankhäuser bei 23 Milliarden. (Tagesspiegel, 13.9.2009). Wäre es zur Insolvenz gekommen, hätte zudem der Einlagensicherungsfonds des Bankenverbandes BdB mit bis zu 24 Milliarden Euro haften müssen. Das wäre vor allem für Ackermann unangenehm teuer geworden. Wie charmant also, daß der Staat den ganzen Mist zum Nulltarif übernommen hat. Das ist die First-Class-Behandlung, die die Banker von ihren Regierungen gewohnt sind – und nicht teure Garantien und jahrzehntelange Mithaftung zu Lasten der Dividenden.

Ein schöner Tausch

Auch bei der Bad Bank setzen die Banken vermutlich darauf, daß der Staat ihnen schon noch weiter entgegenkommen wird, wenn die Situa­tion sich wieder zuspitzt. Was den Bankern dabei so vorschwebt, kann man bei unseren europäischen Nachbarn besichtigen. Ein aus Bankersicht ausgesprochen lukratives Bad-Bank-Modell hat etwa Irland aufgelegt. Das Grundkonzept der irischen Bankenrettung sieht vor, daß die Staatsorganisation NAMA den Banken bis Mitte nächsten Jahres Problemkredite zu einem Nominalwert von 77 Milliarden Euro abkauft. Weniger als die Hälfte dieser Kredite werden überhaupt noch bedient, der Rest ist faul. Dennoch bekommen die Banken für dieses Müllpaket mit einem geringfügigen Abschlag saubere Staatsanleihen, die der irische Steuerzahler bis zum Staatsbankrott pünktlich bedienen wird. Ein schöner Tausch, der die Aktienkurse der beiden großen irischen Banken Allied Irish Banks und Bank of Ireland am Tag der Verkündung auf einen Schlag um bis zu 30 Prozent nach oben trieb. So macht man das, mag da mancher in den Bürotürmen deutscher Bankhäuser leise geseufzt haben.

Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Immerhin taugt das mangelnde Interesse als guter Vorwand, um Nachbesserungen am deutschen Bad-Bank-Konzept zu fordern. »Die Bad-Bank-Lösung, wie in Deutschland angeboten, kauft nur Zeit, bringt aber keine große Erleichterung«, meint etwa Jürgen Michels, Europa-Chefvolkswirt der Citigroup. Die Regierung sollte laut Michels mehr tun, um den Finanzinstituten aus den Eigenkapitalschwierigkeiten zu helfen und so eine Kreditklemme abzuwenden.

Der Kreditstreik – das Zurückfahren der Kreditvergabe an die Wirtschaft – ist eines der Hauptdruckmittel, das die Bankerlobby in dieser Auseinandersetzung zum Einsatz bringt. Allerdings folgt aus dem Umstand, daß die privaten Großbanken nun schon seit Jahren ihrer wichtigsten Funktion, die Wirtschaft mit Kredit zu versorgen, nicht mehr nachkommen, keineswegs, daß die Regierungen ihnen das Steuergeld nun noch bedingungsloser in den Allerwertesten stopfen sollten. Andere Lösungen sind möglich und werden zunehmend ins Gespräch gebracht. Selbst bis in die Bundesbank hat sich mittlerweile herumgesprochen, daß es so nicht weitergehen kann. Bundesbankchef Axel Weber fordert, vorerst die Ausschüttung von Dividenden zu verbieten, um die Banken zu zwingen, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. Auch die Wirtschaftsforschungsinstitute schlagen in ihrem Herbstgutachten Alarm. Banken sollten zu mehr Eigenkapital verpflichtet werden, um gegen die Kreditklemme vorzugehen. Falls die Banken ihr Eigenkapital nicht aus eigener Kraft erhöhen könnten, sollten sie einen Einstieg des SoFFin akzeptieren müssen. Ein alternatives Bad-Bank-Konzept hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgelegt: Statt die faulen Papiere staatlich abzusichern, fordert das DIW, die Banken zu zwingen, sämtliche toxischen Papiere zum Nullwert in eine Bad Bank auszulagern und abzuschreiben. Der Staat sollte dann die Good Banks, deren Eigenkapital durch diese Aktion weitgehend verbrannt sein dürfte, mit frischem Eigenkapital ausstatten.

Ausweg: Verstaatlichung ...

Für den Steuerzahler wäre das natürlich sehr von Vorteil: wenn er schon Geld in die Banken stecken muß, bekäme er dafür wenigstens nicht nur Schrott, sondern die durchaus werthaltigen Aktiva der Banken. Selbst beinharte Neoliberale wie Hans-Werner Sinn, die über Jahre die Deregulierung der Märkte gepredigt haben, fordern mittlerweile eine Verstaatlichung der Banken. Das wäre ohne Frage die vernünftigste Lösung. Erstens würde sich die Refinanzierung der Geldinstitute dadurch verbilligen, da der deutsche Staat immer noch als der sicherste Kreditnehmer gilt. Zweitens könnten die Banken so nicht nur mit ausreichend Eigenkapital ausgestattet, sondern auch gezwungen werden, in ihrer Kredit- und Zinspolitik die wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, statt ihr penetrant entgegenzuwirken. Und drittens wäre die Bereinigung der Finanzmülldeponien dann um einiges leichter. Denn in diesem Fall wäre eine Entsorgung des Finanzschrotts nach schwedischem Muster möglich. In Schweden waren nach der Bankenkrise 1994 für Kreditinstitute, die nicht geschlossen wurden, Bad Banks gegründet worden, in die risikobehaftete Vermögensbestandteile ausgegliedert wurden. Das betraf vor allem die beiden Großbanken Nordbanken und Götabanken. Beide Häuser waren zuvor allerdings verstaatlicht worden – ohne Entschädigung für die Aktionäre. Daß die Verluste für den schwedischen Steuerzahler sich am Ende in Grenzen hielten, hatte zwei Gründe: Zum einen gehörten dem Staat so eben nicht nur die Mülldeponien, sondern auch die Good Banks mit erheblichen Einnahmen. Und zum anderen war der schwedische »Schrott«, der überwiegend aus Immobilien bestand, nicht ganz so wertlos, wie es zunächst schien.

Obwohl letzteres bei den Giftpapieren nicht zu erwarten ist, ist die Verstaatlichung auch für Deutschland die wirtschaftlich sinnvollste und für den Steuerzahler billigste Lösung. Zu prüfen wäre dabei auch, ob tatsächlich alle unbesicherten Forderungen bedient werden müssen. In den USA hatte es nach der Auszahlung der 93 Milliarden Dollar für die Kreditderivate der AIG massive öffentliche Kritik daran gegeben, daß den Banken nicht wenigstens ein »Haircut«, also ein Abschlag auf ihre Forderungen, aufgezwungen wurde. Es geht also. Auch eine Teilinsolvenz hoffnungslos maroder Konzernteile wäre zu prüfen. Das würde die öffentlichen Kosten erheblich reduzieren.

... und Regulierung

In einem Punkt allerdings sollte man den Schweden nicht folgen: Es gibt keinen Grund, die Banken nach erfolgreicher Sanierung wieder privaten Anteilseignern zu überlassen.

Wenn es so ist, daß ein funktionierender Finanzmarkt ein öffentliches Gut ist, dann folgt daraus zweierlei: Daß Banken und Versicherungen, als wichtigste Akteure auf diesem Markt, in öffentliche Hand gehören. Und daß sie so reguliert werden müssen, daß ihr Geschäftsgebaren dem Allgemeininteresse förderlich und nicht schädlich ist. Die Landesbanken zeigen, daß öffentliches Eigentum ohne vernünftige Regulierung nicht viel nützt. Die Hoffnung allerdings, letztere ließe sich ohne ersteres hinbekommen, sollte ebenfalls endlich begraben werden.

Es ist doch kein Zufall, daß das Vorhaben, die Banken strengerer Regulierung und höheren Eigenkapitalpflichten zu unterwerfen, trotz großer Töne bisher keinen Schritt vorangekommen ist. Das gilt für die europäische Ebene wie für die deutsche. Jeder, selbst der mildeste, Regulierungsvorschlag wird von der Bankerlobby mit dem Hinweis abgeblockt, daß die Banken für die Geldgeber attraktiv bleiben müßten. Klar, Eigenkapital ist teuer. Mehr Eigenkapital heißt mehr Stabilität, aber eben weniger Rendite. Das kollidiert mit dem zentralen Ziel privater Bankhäuser, das Ackermann so formuliert: »Man muß auch die Aktionäre zufriedenstellen.« Tatsächlich ist die angestrebte Eigenkapitalrendite von 25 Prozent durchaus kein persönlicher Spleen des Deutsche-Bank-Chefs, sondern schlicht das, was auf den internationalen Märkten heute erwartet wird. Würden aufgrund strengerer Regulierung einzelne Banken solche Renditen nicht mehr vorweisen, dürfte das ihre Anteilseigner nachhaltig vergrätzen. Die Folge: Die Aktienkurse sinken, neues Kapital zu beschaffen wird schwieriger.

25 Prozent Eigenkapitalrendite allerdings können nicht seriös erwirtschaftet werden. Keine Bank schafft das durch Mittelstandskredite. Solche Renditen verlangen hochgehebelte Spekulation und volles Risiko – bis zum nächsten Crash. Es gibt also überhaupt nur zwei Auswege: Entweder man wartet bis zum Sanktnimmerleinstag auf eine international einheitliche strengere Bankenregulierung, und bis dahin zieht man immer von neuem los, um mit endlosen Steuermilliarden Brände zu löschen, weil der heiße Reifen, den die Banker fahren, sie immer wieder aus der Kurve werfen wird. Oder man beendet den Spuk, verstaatlicht die Finanzindustrie und unterwirft sie strikter Regulierung, damit irre Renditeziele ein für allemal der Vergangenheit angehören und Kreditgeld wieder für die Dinge zur Verfügung steht, für die es gebraucht wird. Allzu schwer dürfte die Wahl eigentlich nicht fallen.

* Sahra Wagenknecht veröffentlichte zuletzt: Wahnsinn mit Methode. Finanzcrash und Weltwirtschaft, dritte korrigierte Auflage, Das Neue Berlin, Berlin 2009, 256 S., 14,90 Euro

(Teil I erschien in der Wochenendausgabe)