Sahra Wagenknecht

Rat zeigt sich schlecht informiert

Zur Antwort des Rates vom 08.10.08 auf meine am 29.08.08 eingereichte Schriftliche Anfrage nach Aktivitäten estnischer "Freiwiliger" im Georgienkrieg

08.10.2008

"Dem Rat ist diese Angelegenheit nicht bekannt.", so lautet die knappe Antwort des Rats der EU auf meine im August eingereichte Frage nach Initiativen sogenannter estnischer Freiwilliger im Georgienkrieg.

Sollte die Antwort den Tatsachen entsprechen, fragt man sich, was der Rat überhaupt mitbekommt. Schließlich handelt es sich bei dem Aufruf zur Entsendung uniformierter estnischer Freiwilliger in einen Krieg nicht um eine Lappalie, sondern eine hochbrisante Aktion.

Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass der Rat von der Initiative des estnischen Reservistenverbands, zum Einsatz Freiwilliger im Georgienkrieg aufzurufen, nichts mitbekommen hat. Immerhin wurde die Angelegenheit in den Medien in Estland und darüber hinaus breit diskutiert. Dass der Rat der EU nichtsdestotrotz in seiner lapidaren Einzeilen-Antwort nach dem Prinzip der drei Affen verfährt - nichts hören, nichts sehen, nichts sagen - lässt nur den Schluss zu, dass es hinter den Kulissen brodelt, so dass er zu dieser Angelegenheit lieber in keinster Weise Stellung beziehen will.

Hier die Anfrage, die ich gestellt habe:

SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-4782/08

von Sahra Wagenknecht (GUE/NGL)

an den Rat

Betrifft: Aktivitäten so genannter estnischer Freiwilliger während des Georgien-Kriegs

Unmittelbar nach Beginn der aus dem georgischen Angriff auf die südossetische Stadt Zchinwali resultierenden militärischen Konfrontation Georgiens mit Russland wurde von Seiten des Vereins der Militärreservisten in Estland ein Aufruf gestartet, Freiwillige für eine Mission zur Unterstützung Georgiens im Krieg gegen Russland zu rekrutieren und zu dieser Mission auch die Uniform mitzunehmen. Avisiert wurde die Mitnahme in einem Flugzeug der Regierung, das humanitäre Hilfsmittel nach Tiflis bringen sowie estnische Staatsbürger aus Georgien ausfliegen sollte. Zu den Initiatoren des Aufrufs gehörten neben dem Vorsitzenden des Reservisten-Verbands Estlands, Priit Heinsalu, auch der frühere Diplomat und jetzige Direktor des Laidonermuseums, Indrek Tarand. Etwa 50 Menschen schlossen sich diesem Aufruf an und flogen nach Tiflis, Medienberichten zufolge allerdings nicht in der Regierungsmaschine. Zu den Freiwilligen sollen neben estnischen Reservisten auch Vertreter des paramilitärischen estnischen Verbands Kaitseliit gehört haben.

1. Hat der Rat der Europäischen Union Kenntnis von dieser Initiative estnischer Freiwilliger? Ist dem Rat bekannt, ob und, wenn ja, wie viele Vertreter des estnischen Militärs oder offizieller estnischer Sicherheitsdienste an dieser Initiative teilgenommen haben? Hat der Rat Kenntnis darüber, ob sich Teilnehmer an dieser Initiative weiterhin in Georgien aufhalten?

2. Waren nach Kenntnis des Rates estnische Staatsbürger an den Kampfhandlungen zwischen Georgien und Russland beteiligt?

3. Wie bewertet der Rat der Europäischen Union die Tatsache, dass ehemalige Vertreter des estnischen Militärs sowie der Regierung zu einer solchen Initiative aufgerufen haben?

4. War die Initiative Gegenstand von Erörterungen des Rats mit der estnischen Regierung und, wenn ja, in welcher Weise?

5. Hält der Rat Initiativen zur Entsendung Freiwilliger eines EU-Mitgliedstaats in ein Konfliktgebiet für geeignet, zur friedlichen Lösung beizutragen? Wenn nein, welche Schritte sind seitens des Rates eingeleitet worden, um solche Initiativen in der Zukunft zu unterbinden?