Sahra Wagenknecht

Freibrief für Sozialdumping

Pressemitteilung von Sahra Wagenknecht vom 19.06.08

19.06.2008

Zum heutigen Urteil des EuGH gegen das Großherzogtum Luxemburg (Rechtssache C-319/06) erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete und Vorstandsmitglied der Partei DIE LINKE:

"Die Kette der arbeitnehmerfeindlichen Urteile will nicht abreißen. Heute hat der europäische Gerichtshof zum vierten Mal innerhalb weniger Monate eine skandalöse Entscheidung zugunsten der europäischen Konzerne und zu Lasten der Beschäftigten getroffen. Nach Ansicht des EuGH steht das luxemburgische Arbeitsrecht im Widerspruch zur Entsenderichtlinie und zur Dienstleistungsfreiheit und muss daher geändert werden. Wer Arbeitnehmer nach Luxemburg entsendet, ist laut EuGH nicht dazu verpflichtet, sich an das luxemburgische Arbeitsrecht zu halten, das eine automatische Anpassung der Löhne an die Lebenshaltungskosten, die Pflicht zur Einhaltung von Tariflöhnen sowie fortschrittliche Bestimmungen bzgl. bezahltem Urlaub, Zeitverträgen, Leih- oder Teilzeitarbeit u.a. vorsieht.

Dies ist nicht nur ein Angriff auf die luxemburgische Regierung, der das Recht zum Schutz aller in Luxemburg tätigen Beschäftigten abgesprochen wird. Es ist eine massive Attacke auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in ganz Europa! Wie schon in den Fällen Laval, Viking Line und Rüffert hat der EuGH den Grundfreiheiten von Unternehmen Vorrang vor Grundrechten und sozialen Standards eingeräumt. Wieder einmal hat der EuGH den Versuch, gleiche Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten an einem Ort durchzusetzen, für illegal erklärt. Das ist nichts weiter als ein Freibrief für Sozialdumping.

Es sind Urteile dieser Art, die das Vertrauen der Menschen in die Europäische Union erschüttern. Und dieses Vertrauen wird auch durch billige Täuschungsmanöver nicht wieder hergestellt: Zwar hat man die Verkündung des heutigen Urteils extra um einen Monat verschoben, um den Gegnern des Lissabon-Vertrags in Irland keine weiteren Argumente zu liefern. Doch zum Glück hat sich eine Mehrheit der irischen Bevölkerung davon nicht beirren lassen und der unsozialen Politik der EU eine schallende Ohrfeige erteilt. An diesen Erfolg des irischen Referendums gilt es nun anzuknüpfen. Gemeinsam mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften muss für eine grundlegende Neuausrichtung der EU gekämpft werden. Das Diktat der Kapitalinteressen muss gebrochen und ein soziales und friedliches Europa neu gegründet werden, welches keine Volksabstimmung mehr zu fürchten brauchte."