Ausverkauf - Post will ihre Filialen komplett abstoßen

Gastkommentar in der jungen welt vom 14.06.2008

13.06.2008

Immer weniger Briefkästen, immer längere Wege zur nächsten Postfiliale und immer längere Warteschlangen – mit diesen Problemen hat man schon jetzt infolge der Privatisierung der Post fast überall zu kämpfen. Nun hat der Konzern angekündigt, auch noch die letzten 750 posteigenen Filialen bis zum Jahr 2011 loswerden zu wollen. Mit der flächendeckenden Versorgung dürfte es dann endgültig vorbei sein. Dabei handelt es sich bei der Annahme von Paketen oder dem Verkauf von Briefmarken um grundlegende Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die allen Menschen zur Verfügung stehen müssen.

Zwar ist die Deutsche Post dem Gesetz nach verpflichtet, mindestens 12 000 Filialen in Deutschland zu unterhalten. Doch um welche Art Filialen es sich handelt, ist egal. In Zukunft dürften Postdienstleistungen wohl nur noch in abgespeckter Form in privaten »Partnerfilialen« oder sogenannten »PostPoints« angeboten werden. Glaubt man den Aussagen des Postagenturnehmerverbandes, so werden bei jeder Umwandlung einer Filiale in eine private Agentur 60 Prozent der Kosten »eingespart«. Welches Resultat eine solchen Sparpolitik hat, dürfte klar sein: Neben der Einschränkung des Leistungsangebots ist mit einer drastischen Reduzierung des Personals zu rechnen, was die Schlangen vor den Schaltern noch verlängern dürfte. Hinzu kommt, daß die Beschäftigten in den »Partnerfilialen« im Gegensatz zu den regulären Postangestellten mit Minijobs und Dumpinglöhnen abgespeist werden.

Über das rasche Wachstum des Niedriglohnsektors in Deutschland braucht man sich da nicht zu wundern. Dabei ist er schon jetzt größer als in fast allen anderen Industrieländern: Etwa jeder vierte Beschäftigte muß mit einem Jahreslohn von 15 000 Euro oder weniger auskommen. Es ist also höchste Zeit, sich diesem Privatisierungswahn zu widersetzen, der ausschließlich den Aktionären dient, während Verbraucher und Beschäftigte wieder einmal das Nachsehen haben. Wie die Bahn, deren Teilprivatisierung kürzlich vom Bundestag beschlossen wurde, gehört auch die Post in öffentliche Hand, da sie wichtige Leistungen anbietet, von denen niemand ausgeschlossen werden darf.

Doch die Zeichen stehen weiter auf Ausverkauf: Schon vor Monaten war in der Finanzpresse zu lesen, daß die Deutsche Post nach einem Fusionspartner für die Postbank sucht. Sollte es tatsächlich zu einer solchen Megafusion im deutschen Bankwesen kommen, wären tausende Arbeitsplätze in Gefahr – von den langfristigen Folgen, die ein solcher Konzentrationsprozeß für die Verbraucherinnen und Verbraucher hätte, ganz zu schweigen. Fast noch interessanter ist, was man in der Presse gar nicht zu lesen bekommt: So ist mit der Deutschen Post Adress GmbH auch die wohl größte und aktuellste Adreßdatenbank inzwischen teilprivatisiert worden: Sie gehört jetzt zur Hälfte dem mächtigen Bertelsmann-Konzern.

Sahra Wagenknecht