Sahra Wagenknecht

Wer Putins Gas boykottieren will, vergisst, was dann kommt: unser Wirtschafts-GAU

Weitergedacht - Die Wagenknecht-Kolumne auf focus.de, erschienen am 15.03.22

15.03.2022

„Frieren für die Freiheit“? Die Debatte über einen Importstopp für russisches Gas und Öl ist unverantwortlich. Zumindest mittelfristig kann Russland seine Rohstoffe problemlos auch an Indien und China verkaufen. Deutschland dagegen braucht bezahlbare Energie, wenn unser Lebensstandard nicht dramatisch sinken und unsere Industrie eine Zukunft haben soll.

Täglich erreichen uns schreckliche Bilder aus der Ukraine. Bilder von verzweifelten Menschen, die in Kellern und U-Bahnschächten um ihr Leben zittern, Bilder von verletzten Frauen und Kindern, Bilder von Sterbenden. Der verbrecherische Krieg, der mit dem russischen Überfall auf das souveräne Nachbarland begann, hat auch das Leben und die Debatten in unserem Land verändert. Der Wunsch, etwas zu tun, damit das Blutvergießen endet, irgendwie dazu beizutragen, dass Putin unter Druck gerät und einlenkt, ist übermächtig.

Entsprechend groß ist die Zustimmung zu den bereits beschlossenen Wirtschaftssanktionen, die, wie Frau Baerbock stolz verkündete, „Russland ruinieren“ sollen. In dieser Stimmung werden auch Forderungen nach einem sofortigen Importstopp für russisches Öl und Gas immer lauter. Sie kommen von CDU- und FDP-Politikern, dem Fridays-for-Future-Spektrum und vielen Journalisten. Als Vorbild werden die Vereinigten Staaten gefeiert, deren Präsident mittlerweile ein Embargo für russisches Öl verfügt hat.

Noch widersteht die Bundesregierung, aber es ist nicht ausgemacht, dass das so bleibt. Innerhalb der nächsten Jahre will man auf jeden Fall unabhängig werden von russischer Energie und den Treibstoff für unsere Volkswirtschaft aus anderen Weltregionen beziehen.

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