„Ein abgesprochenes Gaunerstück“

Sahra Wagenknecht im Interview mit Stefan Vetter

07.02.2020

Ex-Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht: CDU in Erfurt muss Weg für Neuwahlen freimachen

Berlin – Nach Einschätzung der ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linken, Sahra Wagenknecht, dürften die Ereignisse in Thüringen auch Auswirkungen auf die Bürgerschaftswahl am 23. Februar in Hamburg haben. 

Stefan Vetter: Frau Wagenknecht, in Thüringen wurde der einzige Ministerpräsident der Linken abgewählt. Was heißt das für Ihre Partei?

Sahra Wagenknecht: Die Wahl eines FDP-Regierungschefs von Höckes Gnaden war ein abgesprochenes Gaunerstück. Offensichtlich war auch die CDU einbezogen, und nach Aussage des Thüringer CDU-Fraktionschefs Mohring sogar die Parteivorsitzende. Jetzt ist sie zurückgerudert. Wenn das ernst gemeint ist, muss die Thüringer CDU ihre Blockade gegenüber Neuwahlen schleunigst aufgeben.

SV: Aber die Linke ist jetzt geschwächt. Oder sehen Sie das anders?

Wagenknecht: Umfragen zeigen, dass nicht nur die Wähler der Linken Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten wollten, sondern selbst viele CDU-Wähler. Dass jetzt mithilfe der AfD der Wählerwille missachtet werden sollte, ändert an Ramelows Beliebtheit nichts. Falls es baldige Neuwahlen gibt, dürften die Ergebnisse eindeutig ausfallen.

SV: Die vormalige rot-rot-grüne Landesregierung unter Ramelow hat derzeit keine Mehrheit mehr. Im Zweifel hätte also auch Ramelow Stimmen der AfD in Kauf nehmen müssen, um eigene Gesetze durchzubringen.

Wagenknecht: Eine Regierung Ramelow würde von der AfD ganz sicher nicht unterstützt. Mit CDU und FDP dagegen hat die AfD Schnittmengen, sie will ebenfalls privatisieren, im Sozialen kürzen. Und wenn jetzt immer wieder der große „Konsens der Demokraten“ beschworen wird, darf man auch nicht vergessen: Es sind die regierenden Parteien, deren Politik unser Land sozial spaltet und die AfD erst stark gemacht hat. Wer Renten kürzt und immer wieder den kleinen Leuten in die Tasche greift, ist dafür verantwortlich, dass eine Konstellation wie in Thüringen überhaupt entstehen konnte.

SV: CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hat sich sehr klar von den Vorgängen in Thüringen distanziert und damit auch von ihren dortigen Parteifreunden. Ist das für Sie glaubhaft?

Wagenknecht: Das wird der weitere Verlauf zeigen. In gut zwei Wochen ist die Wahl in Hamburg. Da sinnt KrampKarrenbauer offensichtlich auf Schadensbegrenzung. Das einzig Überzeugende wäre, wenn die CDU jetzt direkt den Weg zu Neuwahlen in Thüringen einleitet. Ansonsten bleibt der Verdacht, dass man nur die Zeit bis zur Hamburger Wahl überbrücken will.