Sahra Wagenknecht

Kapitalverkehr kontrollieren! Auch die Bundespolitik ist verantwortlich für Steuerflucht

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen in "Neues Deutschland", 29.02.08

29.02.2008

Gestern hätte die deutsche Regierung Gelegenheit gehabt zu beweisen, dass es ihr mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung tatsächlich ernst ist. Die Innenminister der EU berieten über den Beitritt Liechtensteins zum Schengener Abkommen, dem sie schließlich ihren Segen erteilten. Statt Sanktionen gegen Länder zu verhängen, die ihren Reichtum den laxen Steuergesetzen und einem strengen Bankgeheimnis verdanken, werden die Grenzkontrollen zum Fürstentum Liechtenstein jetzt aufgehoben, was den Transport von Geld am Fiskus vorbei künftig noch einfacher machen dürfte.

Die Entscheidung zeigt vor allem eins: Dass der öffentlichen Hand jährlich weit über 50 Mrd. Euro durch Steuerflucht ins Ausland verloren gehen, ist nicht allein der Existenz von Steueroasen geschuldet. Vielmehr nutzen diese nur alle Möglichkeiten konsequent aus, die ihnen von den Regierungen der EU-Staaten eingeräumt werden. Auch moralische Empörung über das Verhalten der Oberen Zehntausend, die sich mit unzähligen Tricks ihrer Steuerpflicht zu entziehen suchen, hilft nicht weiter. Stattdessen sollten endlich wirksame Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung ergriffen werden.

Eine Politik, die dem Problem der Steuerhinterziehung durch eine Amnestie für Steuersünder oder die immer weitergehende Senkung von Steuersätzen auf Zins- und Kapitaleinkünfte beikommen will, kann angesichts des aktuellen Steuerskandals jedenfalls als gescheitert gelten. Davon unbeeindruckt plant die Bundesregierung für 2009 die Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, die nicht nur zu einer weiteren Entlastung von Vermögensmillionären beitragen wird, sondern außerdem dafür sorgt, dass Kapitaleinkünfte künftig nicht einmal mehr in der Steuererklärung offen gelegen werden müssen. Finanzämter und Steuerfahnder werden dann bei ihrer Suche nach flüchtigen Steuermilliarden noch weniger Anhaltspunkte haben.

Was wäre stattdessen zu tun? Sinnvoll wäre zum einen die radikale Reform eines Steuersystems, das - was die Besteuerung von Kapitaleinkünften betrifft - einem Schweizer Käse gleicht. Statt die Steuerberatungsbranche durch immer komplexere Steuergesetze zu fördern, sollte die Bundesregierung lieber sicherstellen, dass Großverdiener und Vermögensbesitzer endlich wirksam kontrolliert werden.

Auf europäischer Ebene sollte sich die Bundesregierung für eine Reform der Zinsrichtlinie stark machen. Sie muss so verändert werden, dass alle Kapitaleinkünfte angeben werden und die Informationspflicht von Privatpersonen auf Stiftungen, Unternehmen und andere juristischen Personen ausgedehnt wird. Es muss endlich Schluss gemacht werden mit einer Politik, die dem „freien Kapitalverkehr" huldigt. Die Energie, mit der man auf den Konten von Hartz-IV Empfängern nach Spargroschen schnüffelt, sollte in die Überwachung von großen Finanztransaktionen gesteckt werden. Vor allem der grenzüberschreitende Kapitalverkehr muss endlich kontrolliert und ein umfassendes Informationssystem aufgebaut werden, welches über sämtliche Zins- und Kapitaleinkommen Aufschluss gibt.

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