Sahra Wagenknecht

Teuer für die Allgemeinheit

Kommentar von Sahra Wagenknecht in der Frankfurter Rundschau, 06.10.2017

06.10.2017

Wenn man die öffentliche Infrastruktur für private Investoren öffnet, wird dies teuer für die Allgemeinheit. Das haben zuletzt diverse Autobahnprojekte gezeigt. Beispiel A1: Mit einem Eigenkapital von nur 50 Millionen Euro hat ein privates Konsortium aus Bauunternehmen und Infrastrukturfinanzierern den Bau und Betrieb eines Stücks Autobahn zwischen Bremen und Hamburg übernommen. Bis 2038 wollte dieses Konsortium eine Rendite von 465 Millionen Euro erwirtschaften. Da der Verkehr auf der Autobahn und die Einnahmen aus der LKW-Maut hinter diesen Erwartungen zurückblieben, haben die Investoren den Staat nun auf die Zahlung von 820 Millionen Euro inklusive Zinsen verklagt.

Die Grundlage für derartige Klagen liefern geheime Verträge, die den Investoren hohe Profite garantieren und mögliche Verluste auf die öffentliche Hand abwälzen. In der Regel werden diese Verträge von privaten Beratungskonzernen erarbeitet, die hauptsächlich für die Finanzindustrie tätig sind. Und da viele ÖPP-Projekte überwiegend kreditfinanziert sind, landen auch die Profite am Ende bei Banken oder Hedgefonds. Im Fall der A1 sollen sich bereits 20 bis 30 Finanzinvestoren bei den Gläubigerbanken um einen Erwerb von Kreditpaketen bemüht haben – in der Hoffnung, von der Bundesrepublik einen Großteil der Forderung eintreiben zu können.

Da die Subventionierung der Finanzindustrie politisch gewollt ist, stehen ihre Chancen nicht schlecht. Um die Abzocke von Steuerzahlern und Autofahrern über ÖPP-Projekte zu erleichtern, wurde im Juni sogar das Grundgesetz geändert und das gesamte Autobahnnetz in eine privatrechtliche Verkehrsinfrastrukturgesellschaft überführt. Mit weiteren elf Projekten einer neuen „ÖPP-Generation“ sollen ausdrücklich lukrative Anlagemöglichkeiten für Banken, Versicherungen und Pensionsfonds geschaffen werden.

Wer auch immer den nächsten Verkehrsminister stellt: Es ist höchste Zeit, der Plünderung der öffentlichen Kassen durch private Investoren einen Riegel vorzuschieben. Sämtliche ÖPP-Projekte müssen gestoppt und abgewickelt und neue ÖPP-Projekte verboten werden. Wir brauchen eine öffentliche Verkehrsinfrastruktur, die sich am gesellschaftlichen Bedarf ausrichtet, und nicht am Profitstreben von Konzernen und Banken.

Die Autorin ist Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag.