Für den Menschen statt für Profite

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen in der Sonderausgabe der Mitgliederzeitschrift der LINKEN, Disput, zum Kirchentag, Mai 2017

23.05.2017

Vor ein paar Wochen besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel die wahhabitische Diktatur Saudi-Arabien. An dieser Reise wird die ganze Heuchelei der Außenpolitik der Bundesregierung deutlich. Zwar hat die Kanzlerin die schlimme Menschenrechtslage im Land und auch den Krieg gegen das Nachbarland Jemen kritisiert. Doch wie im Falle der islamistischen Diktatur Türkei bleibt diese Kritik folgenlos. Die Unterstützung Saudi-Arabiens geht weiter, es werden sogar neue militärische Kooperationen vereinbart. Künftig soll die Bundeswehr sogar saudische Soldaten ausbilden. Die brutale Diktatur, die Frauenrechte mit Füßen tritt und für die Religionsfreiheit ein Fremdwort ist, scheint für die Bundesregierung zu wichtig zu sein, als dass man einen Politikwechsel in Erwägung zöge.

Obgleich von der Bundeskanzlerin beklagt, werden im Jemen weiterhin tausende Zivilisten auch deutschen Waffen zum Opfer fallen. Denn zwischen 2001 und 2014 hat die Bundesregierung Waffen im Wert von fast 2,6 Milliarden Euro an Saudi Arabien verkauft. Auch 2016 wurden Rüstungsverkäufe im Gesamtwert von 530 Millionen Euro an die saudische Diktatur genehmigt. Derweil setzt die saudische Regierung weiterhin auf Bombardierungen von Städten und Dörfern sowie auf eine Blockade im Jemen, die kaum bemerkt von der Weltöffentlichkeit zur größten humanitären Katastrophe unserer Zeit heranwächst. 7 Millionen Menschen im Jemen hungern. UNICEF berichtet, dass für eine halbe Million Kinder akute Lebensgefahr besteht. Doch die Appelle der UN für eine humanitäre Soforthilfe verhallen weithin ungehört. Von den erforderlichen 1,9 Milliarden Euro sind lediglich 15 Prozent eingesammelt, die Bundesregierung stellt gerade einmal 50 Millionen zur Verfügung. Forderungen der Linken, adäquat zur wirtschaftlichen Stärke unseres Landes 10 Prozent der Kosten zu übernehmen, treffen auf wenig Widerhall bei Union und SPD. Schlimmer noch als das Versagen der nötigen Soforthilfe ist aber die konkrete deutsche Unterstützung der saudischen Regierung, die für den massenhaften Hungertod im Jemen hauptsächlich verantwortlich ist.

Die Hungertoten unserer Zeit gehen aber nicht nur auf das Konto einer unverantwortlichen Kriegs- und Waffenexportpolitik. Verantwortlich ist zudem eine Wirtschaftsordnung, die den Profit über das Leben des Menschen setzt und in der 62 Superreiche inzwischen mehr besitzen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Verantwortlich sind sogenannte „Freihandelsabkommen,“ die die heimische Produktion in ärmeren Ländern vernichten und sie zur Beute von westlichen Agrarmultis und Industriekonzernen machen. „Diese Wirtschaft tötet“ hat Papst Franziskus der Weltöffentlichkeit ins Stammbuch geschrieben. „Wir lassen sie verhungern“, so die Analyse von Jean Ziegler, ehemaliger Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung. Recht haben die beiden.

Alle 5 Sekunden verhungert ein Kind unter 10 Jahren. Dabei bräuchte es gerade mal 20 Milliarden Euro pro Jahr, um Hunger und Unterernährung auf diesem Planeten zu überwinden. Das ist ein kleiner Bruchteil jener Billionensumme, die weltweit jährlich für Rüstung ausgegeben wird. Es ist gut, dass dieser Skandal von den Kirchen – etwa vom Papst auf der katholischen Seite oder von Margot Kässmann bei den Protestanten – beharrlich angeprangert wird. Hunger und Kriege sind keine Naturkatastrophen, sondern von Menschen gemachte Übel. Auch die Bundesregierung könnte viele tausende Menschen vor dem Hungertod retten. Sie müsste nur anders handeln: Statt Waffen in Krisengebiete zu liefern und Milliardensummen für Rüstung und Kriegseinsätze zu verpulvern müsste sie armen Ländern echte Entwicklungshilfe leisten und von neoliberalen Handelsabkommen Abstand nehmen. Es ist Zeit für mutige Entscheidungen: Für den Menschen statt für Profite.