Sahra Wagenknecht

Wir brauchen einen Plan B

Kommentar von Sahra Wagenknecht für die Frankfurter Rundschau, 29.08.15

29.08.2015

Der Euro sollte die europäische Einigung vollenden. In der Realität bewirkt er aber das Gegenteil. Ökonomisch wie politisch driften die Staaten der Eurozone auseinander.

Während deutsche Exportkonzerne nicht zuletzt dank des durch die Agenda 2010 ermöglichten Lohndumpings ihre Vorherrschaft ausbauen und auch der deutsche Staat von der Kapitalflucht aus den Krisenländern profitiert, werden Länder mit kämpferischeren Gewerkschaften deindustrialisiert, leiden unter hoher Arbeitslosigkeit und müssen sich wegen wachsender Verschuldung Kürzungs- und Privatisierungsdiktaten unterwerfen. Nicht, wer angesichts dieser Situation über Alternativen zur Einheitswährung nachdenkt, sondern wer das nicht tut, muss sich den Vorwurf des Nationalismus gefallen lassen.

Die Institutionen der Eurozone funktionieren im Interesse der Reichsten. Sinkende Löhne und Renten auf der einen, hohe Konzerngewinne, wachsende Millionärsvermögen und längst wieder fröhlich spekulierende Finanzhaie auf der anderen Seite sprechen eine deutliche Sprache. Möglich wird diese große Umverteilung durch die fortschreitende Zerstörung der Demokratie. Zuletzt wurde die griechische Regierung von der Eurogruppe vor die Wahl gestellt, entweder den Euro aufzugeben oder die Ergebnisse der vorangegangenen Parlamentswahl und der Volksabstimmung für irrelevant zu erklären.

Wiederholbare Tragödie

Wo immer in Europa eine Regierung gewählt wird, die sich dem neoliberalen Mainstream verweigern will, stünde sie vor dem gleichen Dilemma. Wie die Erpressungspolitik der Europäischen Zentralbank ist auch die griechische Tragödie wiederholbar. Und wem diese Aussicht noch nicht genügt, um über einen Plan B zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit demokratisch gewählter Regierungen nachzudenken, dem sei das Papier der „Fünf Präsidenten" Juncker, Draghi, Dijsselbloem, Tusk und Schulz zur „Vollendung" der Währungsunion unbedingt zur Lektüre empfohlen.

Ausgehend von der „Schwäbischen-Hausfrauen"-These, dass zu hohe Löhne und eine laxe Haushaltspolitik für die Krise verantwortlich sind, sollen in Zukunft von vornherein EU-Technokraten anstelle von Gewerkschaften und gewählten Parlamentariern über Löhne und Haushaltsbudgets entscheiden.

Nichts spielt den echten Nationalisten mehr in die Hände, als wenn man ihnen die Kritik an dieser entstehenden Euro-Diktatur überlässt.

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