Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht stellt den Euro in Frage

Artikel in der Zeitung Die Welt vom 21.08.15

24.08.2015

Noch vor einem halben Jahr waren solche Gedanken in der europäischen Linken undenkbar. Niemand hätte es gewagt, den Euro infrage zu stellen. Er galt als Garant für den tieferen Einigungsprozess, der im linken Ideal in einem sozialistischen Europa münden sollte. Diese Haltung gibt es freilich nach wie vor, aber erstmals gibt es auch eine andere. Will heißen, der linke Rückhalt für den Euro bröckelt; ja, das System der Gemeinschaftswährung wird inzwischen nicht nur öffentlich angezweifelt, sondern gilt als Projekt der zu bekämpfenden "herrschenden Klasse". Diejenigen, die das so sehen, verbinden ihre Kritik mit der Frage, wie souverän ein europäischer Staat sein darf oder besser gesagt sein muss, damit linke Politik überhaupt erst möglich wird.

Nun fallen Sätze, die bislang allenfalls von der Euro-skeptischen AfD und den wenigen Kritikern in den Reihen der CDU/CSU zu hören waren. Sie machen deutlich, wie sehr der Euro auch bei Teilen der Linken seine Magie verliert. Sie fürchten, die Ereignisse in Griechenland könnten langfristig zu einer tiefen Enttäuschung über die Linke und ihre Politikfähigkeit insgesamt führen. In Griechenland ist dieser Prozess längst im Gange. Über die Zugeständnisse, die Ministerpräsident Alexis Tsipras den Gläubigern gemacht hat, zerbricht inzwischen seine eigene Partei. Es ist keineswegs übertrieben, diesen Wandel als revolutionär zu bezeichnen. Schließlich kommt die Kritik in Griechenland, Frankreich und Deutschland mit ungeahnter Radikalität daher. "Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt, und am dramatischsten zeigt sich das eben in Griechenland", sagt die künftige Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht der "Welt". "Darum beginnt in der Linken zu Recht eine Debatte darüber, welchen Spielraum eine Politik jenseits des neoliberalen Mainstreams im Rahmen des Euro überhaupt hat oder ob wir dieses Währungssystem nicht generell infrage stellen müssen."

Sie verweist dabei auf das von den Chefs von fünf EU-Institutionen – EU-Kommission, Europäischer Rat, EU-Parlament, EZB und Euro-Gruppe – vorgelegte Papier zur "Rettung der Euro-Zone". An dem Papier sei deutlich zu erkennen, "wohin die Reise mit dem Euro gehen soll". Wagenknecht: "Alles deutet darauf hin, dass es immer mehr Integrationsschritte gibt, die jede nationale Souveränität erledigen. Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben."


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