Sahra Wagenknecht

Mit klaren Positionen die Menschen gewinnen

Rede von Sahra Wagenknecht auf dem Parteitag der Partei DIE LINKE am 06.06.2015 in Bielefeld

08.06.2015
Bielefelder Parteitag: Sahra Wagenknecht

Liebe Genossinnen und Genossen, offenbar gilt in der Politik: je schäbiger die Inhalte desto emphatischer werden die Rechtfertigungen. Und deswegen trifft sich ab morgen in Elmau nicht nur eine selbsternannte Weltregierung, die niemand braucht, sondern, wenn man Frau Merkel glauben darf, tagt da hinter hohen Zäunen etwas viel, viel Edleres, nämlich eine Wertegemeinschaft. Eine Wertegemeinschaft, bei der nur die zugelassen sind, die sich etwa zu den Werten des Völkerrechts bekennen. Ich weiß nicht, ob der allseits überschätzten Bundeskanzlerin aufgefallen ist, dass, wenn man diesen Grundsatz ernst nehmen würde, der Japanische Regierungschef in Elmau verdammt einsam geblieben wäre. Weil, außer Japan gibt es unter den G7 kein einziges Land, dassich in den letzten Jahren nicht am völkerrechtswidrigenKriegen beteiligt hat. Es ist eine traurige Realität, aber es ist eine Realität.

Und man muss natürlich auch sagen: Merkels Wertegemeinschaft ist normalerweise in der Auswahl ihrer Freunde nicht besonders wählerisch – ob das die Ukrainische Regierung ist, die Nazis in hohe Posten bringt und mit Nazibataillonen Krieg führt, ob das Saudi-Arabien ist, dasschon mehr Menschen geköpft hat als die barbarischenMörder vom IS. Und inzwischen hat man erfahren, dass Washington sogar bei der Gründung des IS seine Finger im Spiel hatte, so wie einst bei den Taliban. Erst Terror säen und ihn dann mit Waffenlieferungen und terroristischen Kriegen bekämpfen und dabei ganze Regionen destabilisieren, unmenschliches Leid und Millionen von Flüchtlingen eingeschlossen, und das alles nur, um die eigenen Einflusssphären immer weiter auszudehnen und sich lukrative Rohstoffe unter den Nagel zu reißen, wer diese NATO-Strategie für eine werteorientierte Politik hält und wer dann noch der Meinung ist, Deutschlands Verantwortung in der Welt hinge daran, bei dieser Art Politik an vorderster Front mitzumischen, ich finde, der sollte mal seinen Geisteszustand checken lassen.

Und deshalb gibt es in meinen Augen wirklich keinen Anlass warum jetzt auch die LINKE anfangen sollte, darüber nachzudenken, ob es denn schlimmere und weniger schlimme Kriegseinsätze gibt. Liebe Genossinnen und Genossen, Krieg ist das größte Menschenrechtsverbrechen und deswegen kann es keine weniger schlimmen Kriege geben und es muss wenigstens eine Partei im Bundestag bleiben und im Bundestag sein, die den Mut noch hat, diese Wahrheit auszusprechen. Und dabei ist völlig egal, ob SPD und Grünendas gefällt oder es ihnen nicht gefällt.

Da wird uns erzählt, dass wir die Hightechschnüffler von der NSA brauchen würden, um uns vor Terroranschlägen zu schützen – was für ein Schwachsinn! Wer keinen Terror im Land haben will, der muss aufhören, andere Länder zu terrorisieren. Und es ist doch eine Tatsache und eine Wahrheit: US-Drohnen haben vom Jemen bis Afghanistan unzählige unschuldige Familien ausgelöscht. Und diese Drohnen würden nicht fliegen, würde nicht Deutschland über Ramstein die entsprechende Logistik zur Verfügung stellen. Und deswegen wäre ein Ende dieser Kooperation, und das bedeutet in der Konsequenz ein Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO, ein Ende dieser Kooperation wäre die wichtigste Bedingung, um sich vor Terroranschlägen zu schützen und weitaus besser als die rechtswidrige Belieferung der NSA mit unser aller privaten Daten.

Angeblich tagen in Elmau auch nur die wirklich ganz lupenreinen Demokraten. Auch das wird auch als Grund genannt, warum man Putin nicht dabei haben will – was für eine Heuchlerei! Wie können sich Leute Demokraten nennen, und gleichzeitig an einem Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP herumverhandeln, deren erklärtes Ziel darin besteht, demokratisch gewählten Regierungen und Parlamenten die Entscheidungshoheit zu entziehen, in dem man eine Überregierung von Konzernen installiert und in dem man im Grunde in Zukunft alle Wahlen überflüssig macht, weil sich dann kein Land mehr leisten kann, Gesetze zu machen und Gesetze zu verabschieden, die den großen Profitjägern auf die Füße treten. Da muss ich mal sagen: Wer an solchen Abkommen beteiligt ist, wer solche Abkommen unterstützt, der soll aufhören sich einen Demokrat zu nennen. Das sind Anti-Demokraten, das sind antidemokratische Abkommen, die da verhandelt werden.

Und ich gebe auch zu: Ein Mann wie Herrn Gabriel, der bei diesen wichtigen Themen seit Monaten die Öffentlichkeit belügt und für dumm verkauft, also ich muss sagen, da fällt es einem wirklich schwer, in einer solchen Persönlichkeit einen möglichen Partner eines künftigen sozialen Regierungs- und Politikwechsels zu sehen. Das widerspricht sich, das passt nicht zusammen. Und natürlich, liebe Genossinnen und Genossen, ja ich will, dass wir dieses Land verändern und wir tun das schon. Und es ist auch richtig: Man kann aus einer Regierung mehr verändern als aus der Opposition, wenn – aber dieses Wenn ist die entscheidende Bedingung – wenn man Partner hat, die zumindest in die gleichen Richtungen gehen wollen, als man selbst. Das ist das Entscheidende.

Aber wohin sind denn SPD und Grüne in den letzten Jahren bundespolitisch gegangen? Da gucken wir uns doch mal die Ereignisse an: Als die Entwicklungsorganisation Oxfam darauf hingewiesen hat, dass bei Fortsetzung dieser jetzigen Reichtumsverteilung und Politik im Jahre 2016 die oberen ein Prozent mehr Vermögen haben werden als alle andere Menschen zusammen, da war der Debattenbeitrag des SPD-Vorsitzenden die These: Die Vermögenssteuern wären nicht mehr zeitgemäß. Und was war Gabriels Konsequenz aus dem NSA-Skandal, nachdem er erst groß die Backen aufgeblasen und ganz viel heiße Luft produziert hat? Da hat er mit dazu beigetragen, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung durchgesetzt werden konnte. Offenbar als besonderen Service an die NSA, damit sie nicht mehr so viel Stress bei der Auswertung der Daten hat. Deswegen speichern wir sie erst einmal schön. Ja, was ist denn das für eine Politik?

Und Frau Nahles fällt, wenn Beschäftigte in Deutschland endlich wieder mehr und wieder stärker für ihre Rechte kämpfen und gegen miese Löhne? Was fällt ihnen da ein als erstes? Ein Gesetz zur Einschränkung des Streikrechts. Und dieses Gesetz wird dann auch noch mit dem perfiden Namen verbunden: Gesetz zur Tarifeinheit. Also ist Frau Nahleswirklich noch nicht aufgefallen, dass diese Tarifeinheit in Deutschland ruiniert wurde und zerstört wurde durch die Agenda 2010, durch Werk- und Leihverträge usw. Und wenn sie da mit uns etwas ändern will, dann soll sie das tun und kann sie das tun.

Wo bleibt die Kritik führender SPD-Politiker an der desaströsen Europapolitik der Kanzlerin? Oder an der gnadenlosen Erpressung der SYRIZA-Regierung? Seit fünf Jahren wird Griechenland durch Lohnkürzungen, durch Sozialabbau, durch Privatisierung immer tiefer in die Krise getrieben und die Schulden sind immer höher geworden. Und was sind jetzt die Bedingungen neuer Kredite? Lohnkürzungen, Sozialabbau und Privatisierungen. Das ist doch ein Stück aus dem Tollhaus. Und lieben Genossinnen und Genossen, ich glaube, wir sind uns doch völlig einig: DIE LINKE ist ganz sicher nicht gegründet worden, um in dieser trüben Brühe mitzuschwimmen. Auch wenn das hierzulande als Ausweis für Regierungsfähigkeit und für Pragmatismus gilt.

Und deshalb: Herr Söder läuft ja in Talkshows immer zu ganz großer Form auf, wenn er von den Griechen fordert: Ich will unser Geld zurück! Und da kann man nur sagen: »Herr Söder, Ja bitteschön. Dann holen sie sich ihr Geld wieder zurück. Aber bitteschön, bei denen, die es bekommen haben,– und das ist nicht die griechische Krankenschwester und das ist nicht der griechische Rentner, sondern das sind die Banken und die griechische Oberschicht. Da liegt das Geld, was die Griechen brauchen.

Und so ist es doch in ganz Europa: Bei den Banken, bei den Konzernen und bei der Oberschicht: Da liegt das Geld, waswir für eine sozialgerechte Politik brauchen. Und an der x-ten Regierung, die sich wieder nicht traut, an dieses Geld heranzugehen, daran sich zu beteiligen, dafür wird DIE LINKE nicht gebraucht, sondern sie wird dafür gebraucht mit klaren Positionen die Menschen zu gewinnen, damit endlich wirklich eine andere Politik in diesem Land möglich ist, dafür müssen wir gemeinsam kämpfen mit klaren Positionen. Ich danke euch.