Sahra Wagenknecht

Taschenspielertricks - Der Fiskalpakt muss gestoppt werden

Kommentar von Sahra Wagenknecht in der Tageszeitung "junge welt" vom 11.05.2012

15.05.2012

Bundeskanzlerin Merkel will die Öffentlichkeit mit Taschenspielertricks täuschen. In ihrer Regierungserklärung sagte sie am gestrigen Donnsterstag, sie wolle Wachstum mit Strukturreformen erreichen, die kein Geld kosten. Das hört sich bestenfalls gut an, bedeutet aber nichts weiter als die Fortsetzung der Lohn- und Sozialkürzungen. Es bewirkt das Gegenteil von Wachstum: Griechenland, Spanien und Italien zeigen, daß Volkswirtschaften dadurch in die Rezession getrieben werden.

Wer Wachstum will, muß zunächst den Fiskalpakt stoppen – erst dann wäre ein Wachstumspakt wirkungsvoll. Alles andere ist unsinnig. Damit stimmen wir mit außerparlamentarischen Bewegungen wie etwa ATTAC überein. Der Fiskalvertrag würde die deutsche Schuldenbremse sogar noch verstärken. Die Möglichkeiten für Defizite aus konjunkturbedingten Gründen wären stärker eingeschränkt, automatische Korrekturmechanismen würden gewählte Regierungen in ein Korsett zwingen, und die Übergangsfristen für strukturell ausgeglichene Haushalte wären kürzer.

Außerdem würde es der Fiskalpakt allen künftigen deutschen Regierungen unmöglich machen, die Brüsseler Schuldenbremse aus dem Grundgesetz zu streichen. Eine Brüningsche Kürzungspolitik, die Deutschland schon einmal in die Katastrophe geführt hat, wäre mit dem Fiskalvertrag völkerrechtlich festgeschrieben und durch demokratische Wahlen nicht mehr veränderbar. Da wirkt der Hinweis schon fast kleinlich, daß der Fiskalpakt nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang zu bringen ist.

Die Ratifizierung des Fiskalvertrags und die Zustimmung zum permanenten Europäischen Rettungsfonds (ESM) wäre ein schwer rückgängig zu machender historischer Fehler. Es ist deshalb unverantwortlich und falsch, wenn die SPD sich die Zustimmung dazu durch billige Zugeständnisse abkaufen lassen will. Da eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, könnten die Stimmen von SPD und Linkspartei den Fiskalvertrag im Bundestag stoppen. Die Abstimmung dazu wurde zwar offiziell von der Tagesordnung der letzten Sitzungswoche im Mai genommen – das ist aber kein Grund zur Euphorie. Am Sonntag wird in NRW ein neuer Landtag gewählt – es ist nicht ausgeschlossen, daß die SPD danach umkippt und sich mit einem faulen Kompromiß begnügt.

Der Protest auf der Straße ist deshalb von entscheidender Bedeutung. Demonstrationsverbote, wie die durch die CDU in Frankfurt am Main, dürfen wir nicht hinnehmen. Dort wurde eine angemeldete friedliche Demonstration gegen die Kürzungspolitik, gegen das europaweite Spardiktat der Troika von IWF, EZB und EU kurzum verboten.

Wir müssen für unsere demokratischen Rechte kämpfen – ich werde deshalb am übernächsten Samstag in Frankfurt dabei sein.