Sahra Wagenknecht teilt aus

Artikel veröffentlicht in der RZ Neuwied am 16.03.2012

16.03.2012
Philipp Daum

Nicht selten gingen die letzten Worte im Applaus des Publikums unter. Sahra Wagenknechts Botschaften kamen an. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei „Die Linke" war zu Besuch im Amalie-Raiffeisen-Saal der VHS, und mehr als 100 Parteifreunde, Gewerkschafter und möglicherweise auch der eine oder andere Verfassungsschützer hörten sich die Rede der 42-Jährigen an.

Letztere begrüßte Wagenknecht zwar freundlich, doch sie machte keinen Hehl daraus, für wie überflüssig sie die staatliche Einrichtung hält. „Diese unsägliche Behörde, die zehn Jahre lang eine rechte Mordserie indirekt faktisch mitfinanziert und angeblich nichts davon mitbekommen hat, und die stattdessen eine demokratische Partei wie uns kriminalisiert, die kann man sich nun wirklich sparen", sagte die Spitzenlinke. Mit diesem Steuergeld könne man etwas Sinnvolleres tun, als einen solchen Verfassungsschutz zu unterhalten. Applaus im Publikum.

Generell habe sie aber nichts dagegen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das Grundgesetz und die Realität in Deutschland in Übereinstimmung stehen. „Es gibt eine ganze Reihe von Vorkommnissen, bei denen man sagen muss: Hier wird die Verfassung gebrochen", betonte Wagenknecht. „In Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes steht: Eigentum verpflichtet. Es soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Und jetzt schaue ich mir an, was die Deutsche Bank, die sich zu einer Zockerbude gewandelt hat, seit Jahren macht."Aus Sicht der linken Spitzenpolitikerin stellt die Bank heute nur noch vier Prozent ihrer riesigen Bilanzsumme den Unternehmen als Kredite zur Verfügung, damit diese sich beispielsweise mit neuen Maschinen eindecken oder andere wichtige Investitionen tätigen können. „Mit dem restlichen Geld wird global wild herumspekuliert. Nach meiner Auffassung verfolgt die Deutsche Bank offensichtlich eine Unternehmensstrategie, die gegen das Grundgesetz verstößt.

"Doch nicht nur die Deutsche Bank bekam ihr Fett weg: „Nehmen wir all die anderen Unternehmen, die in den vergangenen Jahren massiv daran gearbeitet haben, reguläre Beschäftigung abzubauen und durch Leiharbeit zu ersetzen. Das ist doch nicht zum Wohle der Allgemeinheit geschehen. Warum debattiert hier niemand über Verfassungswidrigkeit?"Harsche Kritik übte Wagenknecht in diesem Zusammenhang an der damaligen Politik von Rot-Grün. „Bis Ende der 1960er-Jahre war Leiharbeit in Deutschland streng verboten, und danach hat man sie in engen Grenzen gehalten. Trotzdem hat es steigende Wachstumsraten gegeben. Dann kam Rot-Grün, und von da an sollte es angeblich nicht mehr möglich sein, die konjunkturellen Einbrüche ohne Leiharbeit aufzufangen. Das ist doch eine ganz klare Lüge. Es geht hierbei nicht um die Konjunktur, sondern um die Profitmaximierung von Unternehmen.

"Mit Blick auf das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip wetterte Wagenknecht: „Die Agenda 2010 war eine verfassungsfeindliche Politik, die diesem Prinzip widerspricht. Wenn wir derzeit eine Situation haben, in der ein Durchschnittsverdiener Angst haben muss, keine auskömmliche Rente mehr zu bekommen, wird das Sozialstaatsprinzip mit Füßen getreten." Der Applaus im Saal hallte bis nach draußen.