Sahra Wagenknecht

"Das ist kein Rettungsprogramm für den Euro, sondern für die Finanzmafia!"

Rede von Sahra Wagenknecht in der Aktuellen Stunde des Bundestags am 21.09.2011 zur Frage der Insolvenz Griechenlands

21.09.2011

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Fangen wir einmal mit dem Positiven an. Ich denke, in einem Punkt hat Herr Rösler tatsächlich recht: Griechenland ist pleite. Anderthalb Jahre nach Beginn der Rettung sind die Staatsschulden Griechenlands - trotz angeblicher Rettungsmilliarden - höher als zuvor,

(Max Straubinger (CDU/CSU): Wegen linker Politik!)

während die Wirtschaft unter den drakonischen Sparprogrammen regelrecht kollabiert ist.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Das ist wie in der DDR!)

Das ist die Situation. Wenn man sich die Lage in Griechenland ansieht, dann wird völlig klar: Was diesem Land diktiert wurde, war kein Hilfs-, sondern ein Killerprogramm. Das ist das Grundproblem.

(Beifall bei der LINKEN - Norbert Barthle (CDU/CSU): Vom Sparen haben die Linken noch nie etwas gehalten!)

Unter solchen Konditionen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen kann, natürlich noch geringer als vorher. Das weiß die Kanzlerin. Das weiß auch Herr Schäuble. Das weiß im Grunde jeder, der sich mit dieser Materie einigermaßen intensiv befasst hat. Mindestens so verantwortungslos wie wahltaktisch motiviertes Insolvenzgerede ist die offensichtliche Bereitschaft der Bundesregierung, die Kosten einer absehbaren Griechenland-Pleite bis zum letzten Euro dem Steuerzahler aufzubürden. Das ist der Kern, um den es geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage ist doch längst nicht mehr, ob Griechenland zahlungsunfähig wird. Die einzige Frage, um die es noch geht, ist, wann Griechenland zahlungsunfähig wird. Das ist die 100-Milliarden-Euro-Frage. Je später der Schuldenschnitt kommt, umso teurer wird er für die Steuerzahler und umso billiger wird er für die Banken, Hedgefonds und Spekulanten. Das ist der Kern des Problems.

(Beifall bei der LINKEN - Norbert Barthle (CDU/CSU): Eigenartige Theorie!)

Heute würde ein 50-prozentiger Schuldenschnitt den deutschen Staat bzw. den Bund etwa 14 Milliarden Euro kosten, die deutschen Banken und Versicherungen aber nur 6 Milliarden Euro. Diese Relation hätte vor anderthalb Jahren noch ganz anders ausgesehen.

(Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): So ist es!)

Es ist geplant, im Oktober dieses Jahres die nächste Kredittranche freizugeben. Vor allem will man das „großartige" sogenannte Gläubigerbeteiligungsprogramm starten,

(Max Straubinger (CDU/CSU): Sie wollen doch nur die deutschen Sparer schröpfen!)

das in Wirklichkeit eine Gläubigersanierung und keine Gläubigerbeteiligung zur Folge haben wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch kein Zufall, dass der Masterplan dafür aus der Giftküche des internationalen Bankenverbandes unter Vorsitz von Herrn Ackermann stammt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn man dieses Programm ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht, dann heißt das, dass die Kosten eines künftigen Zahlungsausfalls Griechenlands vollständig vom Steuerzahler in Europa zu tragen sind und dass die Finanzmafia keinen Euro beisteuern muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt kein Rettungsprogramm für den Euro. Was es gibt, ist ein Rettungsprogramm für die Finanzmafia. In deren Taschen wird am Ende jeder einzelne Euro, der im Rahmen der Hilfskredite freigegeben wird, landen. Das ist das Problem.

Ich verstehe völlig, dass Leute wie Ackermann ein großes Interesse daran haben, diese staatliche Milliardenpipeline flüssig zu halten; das ist völlig nachvollziehbar. Aber eine Bundesregierung, die sich zum willenlosen Erfüllungsgehilfen solcher Interessengruppen macht, hat offensichtlich ihren Amtseid vergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss aber auch feststellen: Eine Opposition, die sie dabei unterstützt, wie SPD und Grüne es tun, ist ein Armutszeugnis für die Demokratie.

Warum reden eigentlich alle immer nur über Schulden? Nicht nur die Schulden sind in den letzten Jahren eskaliert, sondern auch die Vermögen, und zwar beides aus dem gleichen Grunde: langfristig wegen des europaweiten Steuerdumpings und kurzfristig wegen der Bankenrettung. Die Schulden der Staaten sind die Vermögen der reichen Leute. Die Linke fordert eine europaweite kräftige Vermögensabgabe zur Reduzierung der Schulden. Das wäre der richtige Weg; drakonische Sparprogramme, die immer die Falschen treffen, sind es nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer einer isolierten Insolvenz Griechenlands das Wort redet, der muss natürlich auch die Konsequenzen bedenken; der Dominoeffekt ist bereits angesprochen worden. Das spricht nicht gegen einen Schuldenschnitt. Das spricht gegen das heutige absurde System, in dem eine Handvoll Investmentbanker und einige Quartalsirre in den Ratingagenturen, die mit ihren chronisch falschen Bewertungen schon für den letzten großen Finanzcrash wesentlich mitverantwortlich waren,

(Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): So ist es!)

darüber entscheiden, wie groß die Spielräume, die Staaten haben, sind. Das ist, wie gesagt, ein völlig absurdes System.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gleiche Zockerbande, die die eskalierende Staatsverschuldung letztlich mit auf dem Gewissen hat, schwingt sich jetzt zum Richter auf und diktiert den Staaten die Konditionen. Ein solches System treibt nicht nur immer mehr Länder in den Bankrott, sondern führt auch das ist schon geschehen zum Bankrott der Demokratie in Europa. Wer Demokratie will, der muss die Staaten endlich vom Diktat der Finanzmärkte befreien,

(Beifall bei der LINKEN)

indem ihnen die Möglichkeit eröffnet wird, sich über eine öffentliche Bank direkt bei der EZB zu niedrigen Zinsen Geld zu beschaffen. Wer Demokratie will, der sollte sich endlich auch darauf besinnen, dass die Regierung nicht in erster Linie von Ackermännern gewählt wurde, sondern von der großen Mehrheit der Bevölkerung in diesem Land. Andernfalls das muss ich Ihnen sagen verdienen Sie alle in Zukunft bundesweit solche Wahlergebnisse, wie sie die FDP in Berlin gerade verdientermaßen eingefahren hat.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):

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