Sahra Wagenknecht

Ausgerechnet Asmussen

Kommentar in der Tageszeitung "junge welt" vom 13.09.2011

13.09.2011

Wo immer es darum geht, Verluste der Banken zu sozialisieren, hat Jörg Asmussen seine Finger im Spiel. Nun soll er in der Europäischen Zentralbank dafür sorgen, daß die Verluste privater Finanzkonzerne durch die Euro-Krise möglichst gering ausfallen. Dies folgt einer gewissen Logik: Da die Bundesregierung mit ihrem Krisenmanagement in eine Sackgasse geraten ist, muß nun die EZB den Ausputzer spielen. Für diesen Job dürfte der Finanzstaatssekretär aufgrund seiner Kontakte in die Bankenwelt bestens geeignet sein. Jedenfalls besser als der scheidende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, der vermutlich aus Ärger über die Anleihekäufe der EZB von seinem Posten zurückgetreten ist.

In Krisenzeiten, in denen selbst ein Ackermann nach der Sinnhaftigkeit moderner Finanzprodukte fragt, ist schließlich flexibles Eingehen auf die Bedürfnisse des europäischen Finanzkapitals gefragt und keine ordnungspolitische Prinzipienreiterei. Und kaum ein anderer verkörpert den Filz zwischen Politik und Finanzindustrie so gut wie Asmussen. Als Lobbyist für die von deutschen Banken gegründete Gesellschaft True Sale International hat er sich im Finanzministerium einst mit Erfolg dafür eingesetzt, daß der Handel mit verbrieften Schrottpapieren auch in Deutschland richtig in Schwung kam. Noch 2006 versicherte Asmussen, das Finanzministerium werde darauf achten, daß den Finanzinstituten keine »unnötigen Prüfpflichten« entstehen, wenn sie in reine Spekulationspapiere »mit gutem Rating investieren«.

Doch Asmussen ist nicht nur durch sein Eintreten für eine möglichst lasche Bankenregulierung und die Förderung des Handels mit verbrieften Krediten und anderen Giftpapieren für die schwerste Finanzkrise seit 1929 mitverantwortlich. Als einstiges Mitglied im Aufsichtsrat der Pleitebank IKB und Architekt diverser Bankenrettungspakete hatte er auch Anteil daran, daß Milliardenverluste der Banken auf die Steuerzahler abgewälzt wurden. Auch die Unsitte, Experten aus der Geldbranche »auszuleihen« und sie mit der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen zu betrauen, ist eng mit Asmussen verbunden, der diese undemokratische Praxis schon 2004 verteidigte. Doch wer die Brandstifter von einst zu Feuerwehrleuten von heute macht, geht das Risiko ein, daß aus einem Feuer ein Flächenbrand wird. Einen Bankenlobbyisten zum Chefvolkswirt der EZB zu machen ist jedenfalls das Letzte, was Europa sich leisten kann.