Die große Fleisch-Täuschung: Der Verbraucher steht als Schuldiger da - zu unrecht
Weitergedacht - Die Wagenknecht Kolumne
Brutale Ausbeutung der Beschäftigten, Tierquälerei, Antibiotika: Die Bedingungen, unter denen ein beachtlicher Teil unseres Fleisches produziert wird, sind nicht appetitlich. Aber statt sich auf das zu konzentrieren, was politisch getan werden kann und muss, debattieren politische Ernährungserzieher aus CDU und Grünen lieber über eine staatlich verordnete Erhöhung der Fleischpreise. Der Verbraucher steht als Schuldiger am Pranger – eine Ablenkungsdebatte, auf die man nicht hereinfallen sollte.
Seit die großen Schlachtfabriken zu Corona-Hotspots wurden, wird in Deutschland wieder einmal über die Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie diskutiert: nahezu rechtlose Wanderarbeiter, die weniger als den Mindestlohn erhalten, in dreckigen Massenunterkünften schlafen und sich auch krank zur Arbeit schleppen; Arbeitszeiten von 16 Stunden, sieben Tage die Woche; dubiose Sub-sub-Unternehmer, die die Beschäftigten alle paar Jahre austauschen, wenn sie gesundheitlich verschlissen sind … was wie eine Reportage über Produktionsstätten im fernen Bangladesch klingt, findet seit Jahren hier in Deutschland statt, mitten unter uns.
„Fleisch ist zu billig“
Lange bekannt sind auch die Verhältnisse in der industriellen Tierhaltung, in der tausende Schweine, Kühe oder Hühnchen dicht gedrängt in viel zu engen Ställen dahinvegetieren. Um unter diesen Bedingungen den Ausbruch von Krankheiten zu verhindern, kommen Antibiotika in hoher Dosis zum Einsatz. Dass solche Praktiken nicht allein Leid für die Tiere, sondern auch Gefahren für Mensch und Umwelt mit sich bringen, ist keine Neuigkeit.
Landwirtschaftsministerin Klöckner, immerhin schon über zwei Jahre für dieses Ressort zuständig und bisher nicht durch Initiativen zur Behebung der Missstände aufgefallen, hat jetzt die Ursache allen Übels im Fleischpreis ausgemacht: „Fleisch ist zu billig“, twitterte sie, und erregte sich über „Ramschpreise an der Theke“. Um diesen entgegenzuwirken, soll eine Abgabe von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch oder Wurst den Käufer in Zukunft zwingen, zumindest ein bisschen tiefer in die Tasche zu greifen.
Kein Fleisch mehr für Geringverdiener?
Da freut sich Grünen-Chef Habeck, denn die Grünen fordern seit langem eine Verteuerung von Fleisch, etwa durch höhere Umsatzsteuern. So soll der Konsument erzogen werden, seine Lust auf Braten und Schinken zugunsten pflanzlicher Produkte zu mäßigen. Treffen soll das vor allem diejenigen, die ihr Fleisch preiswert bei Aldi und Co. aus der Kühltruhe holen statt ethisch korrekt im teuren Bio-Laden zu shoppen, wo selbstredend Herrn Habecks Klientel ihre Steaks kauft, sofern sie sich nicht ohnehin vegan ernährt. Quinoa und Süßkartoffel sind schließlich viel gesünder.
Nun ist es zwar nicht falsch, dass zu viel Fleisch der Gesundheit schadet. Wovon allerdings Geringverdiener mit 1200 Euro netto oder Rentner, deren Bezüge nach einem arbeitsreichen Leben oft sogar noch niedriger liegen, die hippe Biokost bezahlen sollen, ist eine Frage, die grüne Besserverdiener dann eher weniger interessiert. Ebenso wie die, ob der Staat sich wirklich anmaßen sollte, seinen Bürgern über den Geldbeutel den Speiseplan vorzuschreiben. Sicher, die von Frau Klöckner geplante Abgabe wird für die wenigsten bedeuten, dass sie sich deshalb kein Fleisch mehr leisten können. Aber der Einstieg in die staatliche Fleischverteuerung wäre damit vollzogen, und bei so viel schwarz-grüner Einigkeit kann niemand wissen, was als nächstes kommt.
Zur vollständigen Kolumne[1]
Links:
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