Sahra Wagenknecht

Exzesse bei Manager-Bezügen sofort beenden

Rede von Sahra Wagenknecht in der Debatte des Bundestages über Managerbezüge am 17.02.2017

17.02.2017
Sahra Wagenknecht, DIE LINKE: Exzesse bei Manager-Bezügen sofort beenden

Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Millionen Menschen fühlen, dass es in diesem Staat nicht gerecht zugeht…

Wenn ein Konzernchef verheerende Fehlentscheidungen trifft, dafür noch Millionen an Boni kassiert, eine Verkäuferin dagegen aber für eine kleine Verfehlung rausgeschmissen wird, dann geht es nicht gerecht zu.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich wundere mich, dass Sie jetzt nicht alle geklatscht haben. Das waren Aussagen Ihres Kanzlerkandidaten und künftigen Parteichefs.

(Beifall bei der LINKEN)

Martin Schulz hätte natürlich ehrlicherweise dazu sagen können, dass die SPD in ihren letzten 15 Jahren Regierungszeit erhebliche Mitverantwortung für die von ihm zu Recht kritisierten Zustände trägt. Aber egal, späte Einsicht ist besser als gar keine Einsicht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist es ein Skandal, dass in diesem Land immer mehr Menschen trotz harter Arbeit auch nicht ansatzweise einen halbwegs gesicherten Wohlstand erreichen können, während am oberen Ende der Einkommenspyramide Millionen eingestrichen werden, die jeden Bezug zur persönlichen Leistung verloren haben, wo elementare Prinzipien von Haftung und persönlicher Verantwortung völlig außer Kraft gesetzt sind. Das sind himmelschreiende Ungerechtigkeiten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und das empfinden die meisten Menschen zu Recht so.

Deswegen ist es gut, dass Sie von der SPD das inzwischen auch so sehen. Darüber freuen wir uns.

(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Nein!)

Die Freude wäre allerdings ungetrübter, wenn wir das Gefühl hätten, den Reden von Herrn Schulz würden jetzt auch reale Taten folgen. Es klang ja zunächst gut, als die SPD-Fraktion angekündigt hat, im März einen Gesetzentwurf vorzulegen mit einem festgeschriebenen Maximalverhältnis zwischen Vorstandsgehältern und durchschnittlichem Einkommen im Unternehmen.

(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Das stimmt nicht!)

Das wäre vernünftig. Deshalb haben wir als Linke genau das schon mehrfach in diesem Parlament beantragt. Allerdings hat sich Ihre eigene Wirtschaftsministerin davon schon wieder abgewandt und die Forderung auf eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managergehältern reduziert - also das, was jetzt auch die Grünen beantragt haben.

(Zuruf von der SPD: Ganz schlecht nachgelesen!)

Ja, glauben Sie denn im Ernst, dass die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit irgendeinen Konzern davon abhalten wird, weiter seine Gehaltsexzesse auszuleben? Das ist doch völlig absurd, das hätte doch gar keinen Effekt.

(Beifall bei der LINKEN - Christian Hirte (CDU/CSU): Eben!)

Und dann will die SPD ihren Gesetzentwurf natürlich auch nur dann im Parlament einbringen, wenn sie sich mit der CDU geeinigt hat. Nun hat zwar die Kanzlerin diese Woche, wie ich der Presse entnommen habe, ihre Fraktionskollegen sogar ermuntert, sie könnten ruhig über die Begrenzung von Managergehältern diskutieren - das finden wir wirklich großzügig von ihr -,

(Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart!)

aber für den Fall, dass es um mehr als ums Diskutieren geht, hat Herr Schäuble schon einmal vorsorglich verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Ich muss sagen: Es ist eigentlich schade, dass Herrn Schäuble solche verfassungsrechtlichen Bedenken bei Milliardenbetrügereien mit Cum/Cum- und Cum/Ex-Geschäften von Banken komischerweise nie gekommen sind. Das hätte dem Staat und damit dem Steuerzahler Verluste in Höhe mehrerer Milliarden ersparen können; aber das nur nebenbei.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So oder so: Jede Erfahrung, und auch der Redebeitrag von Herrn Meister natürlich, spricht dagegen, dass die SPD mit der CDU in dieser Frage eine vernünftige Regelung erreichen wird.

(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt!)

Deshalb möchten wir in Erinnerung rufen, dass es im Bundestag längst eine Mehrheit von SPD, Linken und Grünen gibt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen also gar nicht Frau Merkel oder Herrn Schäuble zu überzeugen, Sie müssen allenfalls einige allzu wirtschaftsliberale Grüne überzeugen. Aber ich finde: Das sollte machbar sein, und es ist auch dringend notwendig, wenn man sich die Entwicklungen ansieht.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN))

- Ich habe gesagt: „einige“ Grüne, da müssen Sie sich nicht so sehr aufregen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Da ist jetzt aber viel los!)

Anfang der 90er-Jahre lag das Verhältnis der Managerbezüge zu dem Einkommen eines durchschnittlichen Arbeitnehmers bei 1 zu 28, das heißt, ein Manager bekam in einem Jahr so viel wie ein Arbeitnehmer in 28 Jahren. Das war schon ziemlich viel. Aber heute ist es völlig anders. Heute liegt das Verhältnis im Schnitt bei 1 zu 83, das heißt, ein Manager streicht in einem Jahr doppelt so viel ein wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in seinem ganzen Erwerbsleben. Und dieser absurden Entwicklung haben Sie alle jahrelang zugeschaut.

Während Herr Schulz Gerechtigkeitsreden hält, stimmt Herr Weil der viel diskutierten 12-Millionen-Euro-Abfindung bei VW zu, und obendrauf - das ist noch nicht erwähnt worden - gibt es auch noch eine Rente von rund 8 000 Euro für Frau Hohmann-Dennhardt bis zum Lebensende, und das Ganze für eine 13-monatige Tätigkeit. Angesichts dieser schamlosen Selbstbereicherung möchte ich Sie daran erinnern, wie hoch die Durchschnittsrente ist, die ein Arbeitnehmer nach 40 bis 45 Beitragsjahren erhält. Sie beläuft sich dank Ihrer Rentenkürzung auf etwa 1 000 Euro. Und dann wundern Sie sich, dass die Menschen empört sind und dass viele den Politikbetrieb nur noch für korrupt und verlogen halten? Wenn Ihnen der Zusammenhalt unserer Gesellschaft wirklich am Herzen liegt, dann tun Sie doch endlich etwas dafür, dass diese Schere nicht immer weiter auseinandergeht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Tun Sie etwas dafür, dass die Durchschnittsrente steigt; man kann es nicht oft genug betonen. In Österreich zum Beispiel bekommt ein Durchschnittsrentner 800 Euro mehr Rente, und zwar im Monat. Tun Sie etwas dafür, dass diese Boni-Exzesse nicht mehr möglich sind. Der einzig effektive Weg dazu ist tatsächlich eine Koppelung der Managervergütungen an die Lohnentwicklung im Unternehmen, etwa in der Relation 1 zu 20 zur unteren Lohngruppe, so wie wir das ja auch beantragt haben. Das wäre übrigens nicht nur sozial gerechter, es würde vor allem ganz andere Anreize setzen; denn statt in erster Linie auf den Aktienkurs zu schielen, würden Manager dann belohnt, wenn sie ein Unternehmen so führen, dass auch die Arbeitnehmer von der Entwicklung profitieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Der Ehrgeiz in den Vorstandsetagen, jede sich bietende Möglichkeit zur Lohndrückerei auszunutzen, würde ganz schnell gravierend ermatten; und das wäre ja vielleicht auch nicht schlecht. Es gibt übrigens sehr erfolgreiche Unternehmen, in denen es eine solche Regelung gibt. Die Carl-Zeiss-Stiftung etwa hat seit dem 19. Jahrhundert eine Begrenzung der Managergehälter auf das Zehnfache des Durchschnittslohns in ihrem Statut. Und das ist ein Unternehmen, das seit etwa 150 Jahren erfolgreich ist.

Wir sollten natürlich auch darüber reden, weshalb es sich die großen Konzerne überhaupt leisten können, Jahr für Jahr auf der einen Seite Rekorddividenden auszuschütten und auf der anderen Seite ihr Management in Millionen zu baden. Dafür gibt es Gründe, und die Gründe haben ganz wesentlich mit den Gesetzen der letzten 20 Jahre zu tun. Sie haben etwas zu tun mit der schlechten Lohnentwicklung dank Leiharbeit und Werkverträgen, woran auch diese Koalition wieder nichts verändert hat. Sie haben zu tun mit der Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge, weil die abhängig Beschäftigten einen immer größeren Teil für Kranken- und Rentenversicherung inzwischen selber zahlen müssen. Sie haben zu tun mit den Steuergesetzen, die bewirken, dass inzwischen 80 Prozent des Steueraufkommens ausschließlich aus Lohn- und Verbrauchsteuern stammen, während sich die Konzerne immer leichter um ihre Steuerpflichten drücken können. Das alles muss dringend geändert werden, wenn es in diesem Land wieder gerecht zugehen soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie die vorhandene Mehrheit jetzt nicht nutzen, wer soll Ihnen glauben, dass Sie das nach der Wahl tun werden? Die Linke jedenfalls redet nicht nur von sozialer Gerechtigkeit, sondern wir stimmen und streiten auch dafür.

(Beifall bei der LINKEN - Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Aber man muss im richtigen Moment handeln, nicht im falschen!)